Vor allem im städtischen Raum werden lärmende Kinder in Österreich zusehends als störend angesehen. Familienministerin Sophie Karmasin, sowie der Kinder- und Jugendanwalt Anton Schmid kritisieren die Einstellung so mancher erwachsener Bürger gegenüber den Kleinen.

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Spielende Kinder verursachen Lärm - deshalb brodelt es aktuell in der Stadt Salzburg. Die Wohnsiedlung "Paradiesgarten Nonntal" ist jüngstes Beispiel dafür, wie leicht die Stimmung zwischen Familien und älteren Bewohnern getrübt werden kann. Mittlerweile sind dort zahlreiche Verbotsschilder aufgestellt, die für Ruhe sorgen sollen. Im Stadtteil Aigen fühlte sich ein Ärztepaar vor mehreren Jahren von einer angrenzenden Kinderbetreuungseinrichtung derart gestört, dass es sogar vor Gericht zog. Es klagte auf Unterlassung. Auch in Wien gibt es regelmäßig Aufregung rund um angeblich störende Kinder.

Mutter und Baby mussten Bus verlassen

Von einem skurrilen Vorfall berichtete die "Zeit". Zwei ältere Passagiere eines Linienbusses fühlten sich vom Geschrei eines Babys gestört und beschwerten sich beim Busfahrer. Daraufhin veranlasste dieser, dass die junge Mutter aussteigen musste - fern jeder Haltestelle. Laut der betroffenen Mutter fühlten sich vor allem ältere Menschen von kleinen Kindern gestört und hätten bereits öfters von ihr verlangt, ihr drei Monate altes Baby endlich ruhig zu stellen: "Vor 30 Jahren mussten Kinder funktionieren und schweigen, wenn es von ihnen verlangt wurde", zitiert die "Zeit" die Frau.

Mittlerweile setzt sich vermehrt ein liberaler Erziehungsstil durch. Doch: "Das ist noch nicht in den Köpfen von allen drinnen", sagt der Wiener Kinderanwalt Anton Schmid im Gespräch mit unserer Redaktion. Der Experte verweist darauf, dass die Verwaltung und Politik in der Landeshauptstadt mittlerweile kinderfreundlicher geworden seien. "Die Schwierigkeiten haben wir inzwischen nicht mehr mit den Behörden, sondern mit Nachbarn oder sonstigen Menschen, die sich von Kindern gestört fühlen", erklärt Schmid.

Komplizierte Gesetzeslage

Was die gesetzliche Lage in Österreich betrifft, gibt es nach dem Anwalt mehrere Ebenen, die sich auf Kinderlärm beziehen. Laut dem Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch (ABGB) sind auf Bundesebene zivilrechtliche Klagen gegen laute Kinder möglich. Auf Länderebene sehen die neuen Bauordnungen in gewissen Bundesländern allerdings schon vor, dass gegen Lärm in Kinderbetreuungsstätten nicht mehr geklagt werden kann.

Dann gibt es auf Länderebene aber noch Landessicherheitsgesetze, die zu Verwaltungsstrafen führen können. So mussten die Eltern einer Zweijährigen in Wien kürzlich 50 Euro Strafe zahlen, da sich ein Nachbar über das Getrampel der Kleinen beschwerte. Ein Skandal, wie Familienministerin Sophie Karmasin gegenüber "oe24.at" meint: "Kinder sollen sich bewegen können, laufen, auch mal laut sein dürfen – das ist Ausdruck kindlicher Entfaltung. Wenn Kinderlärm bestraft wird und von Menschen als nicht zumutbar wahrgenommen wird, empfinde ich das als Armutszeugnis für unsere Gesellschaft." Die Ministerin will eine Änderung der Landessicherheitsgesetze anregen. Sie wird diesbezüglich Gespräche mit Innenministerin Johanna Mikl-Leitner führen, um dann eine Lösung mit den Ländern zu suchen.

Klarerweise sollten Eltern ihren Kindern Rücksicht gegenüber anderen Mitmenschen beibringen. Wenn es allerdings Verwaltungsstrafen aufgrund schreiender Babys gibt, wird aber wohl weit über das Ziel hinaus geschossen.

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