Es ist wichtig und richtig, sich um das eigene Wohl zu sorgen. Übertreibt man es aber, riskiert man, dass andere auf der Strecke bleiben - und man am Ende alleine dasteht.

Anja Delastik
Eine Kolumne
Diese Kolumne stellt die Sicht von Anja Delastik dar. Informieren Sie sich, wie unsere Redaktion mit Meinungen in Texten umgeht.

Gönn' dir! Bei all dem Stress und dem Wahnsinn da draußen müssen wir uns schließlich auch mal was Gutes tun und uns ein bisschen verwöhnen. Und selbstverständlich sollten wir auf unsere Gesundheit achten, unseren Körper und unsere Seele pflegen.Daran ist erst mal nichts auszusetzen.

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Selbstliebe liegt im Trend - Instagram ist da ein guter Gradmesser. Der Hashtag #selflove wurde dort inzwischen knapp 28 Millionen Mal benutzt, zum Vergleich: #iloveyou knapp 37 Millionen Mal. Und das obwohl Menschen, vermutlich lange bevor Selbstliebe zum Buzz-Word wurde, auch auf Social Media "Ich liebe dich" gesagt haben.

Das ICH scheint dem WIR jedenfalls hart auf den Fersen. Weiß doch jeder: Man kann nur jemanden aufrichtig lieben, wenn man sich selbst liebt. Oder: Man muss sich selbst lieben, um geliebt zu werden.

Freundlichkeit weckt Misstrauen

Aber stimmt das? Ich bin mir da gar nicht so sicher. Schwierig wird’s jedoch, wenn sich Selbstliebe in Selbstsucht und Selbstfürsorge in Selbstoptimierungswahn verwandeln. Und weniger nett.

Bei Menschen, die zunehmend um sich kreisen, bleiben andere schnell außen vor. Freundlichkeit? Scheint irgendwie out. Wer sich für den Größten und anderen gegenüber wie ein Arsch (ver)hält, wird respektiert und bewundert.

Hilfsbereite Menschen werden bestenfalls verwundert zur Kenntnis genommen ("Wow, die ist aber nett!") - schlimmstenfalls wird ihnen misstraut ("Warum hilft der mir jetzt?") und ein eigennütziger Hintergedanke vermutet.

Das Beste aus sich rausholen

In Beziehungen, im Beruf, im Bett: Ich-Bezogenheit ist heute völlig okay - und damit sind wir auf dem besten Weg in eine narzisstische Gesellschaft, die uns alle irgendwie krank macht. Obwohl wir uns ständig was Gutes tun, fühlen wir uns nie gut genug. Und je tiefer wir in uns reinhören, umso hohler klingt’s.

Dauergeplagt von Selbstzweifeln suchen wir nach Anerkennung, Erfolg, Glück und dem perfekten Selfie - und investieren immer mehr Geld, Zeit und Energie in immer neue Wege, das Beste aus uns zu machen. Dabei ist es völlig normal, uns selbst auch mal richtig Scheiße zu finden, weil wir es eben manchmal auch sind.

Weltoptimierung statt Ich-Optimierung

Vielleicht sollten wir das mit der Selbstoptimierung einfach lassen und es stattdessen mit Weltoptimierung versuchen? Ein bisschen mehr WIR, ein bisschen weniger ICH. Früher gab es doch mal diesen altmodischen Spruch: Was man anderen Gutes tut, kommt irgendwann zurück.

Einen Versuch wär’s wert. Vorausgesetzt, wir sind bereit, ein kleines bisschen unserer kostbarsten Me-Time abzuzwacken. Könnte gut sein, dass wir dabei nicht nur die Welt verbessern, sondern uns selbst gleich mit.

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