Mit ihrer "Eras"-Tour sorgte Taylor Swift auch in Deutschland für emotionale Höhenflüge – aber bei einigen Fans auch für eine sogenannte "Post Concert Depression". Ein Psychoanalytiker erklärt das Phänomen.

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Während Hunderttausende Menschen Taylor Swift bei den Konzerten ihrer aktuellen "The Eras"-Tour feiern, klagen einige "Swifties" – so nennen sich Fans der Sängerin – auf TikTok und Instagram nach einem Konzertbesuch über eine "Post Concert Depression".

In den sozialen Medien ist die "Post Concert Depression" ein großes Thema – nicht erst seit Taylor Swifts "The Eras"-Tour. Auch Fans von anderen Stars beschreiben im Internet, dass sie sich nach dem Konzert ihres Idols leer und traurig fühlen. Bei einigen verfliegt das Gefühl der emotionalen Leere nach kurzer Zeit, bei anderen hält es länger an.

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Doch kann die "Post Concert Depression" wirklich als eine Depression bezeichnet werden, wie sie in der Internationalen Klassifikation der Krankheiten (ICD) beschrieben wird? Der ICD ist ein System, mit dem medizinische Diagnosen weltweit einheitlich benannt werden.

Tarek Hildebrandt, Psychologischer Psychotherapeut aus Berlin, sagt: "Den Begriff wird man im aktuell gültigen ICD-11 definitiv nicht finden. In seiner populärpsychologischen Begrenztheit ist er aber durchaus aufschlussreich. Schließlich muss man sich von dem geliebten Objekt, wie zum Beispiel Taylor Swift, abrupt verabschieden. Das kann erst einmal zu großer Trauer führen. Ob dies aber auch zu Melancholie führt, also die Trauer mit Selbstwertproblemen und Schuldgefühlen einhergeht, weil man das Objekt nicht halten konnte, halte ich jedoch für deutlich unwahrscheinlicher."

Wenn das Idol zur Projektionsfläche wird

Doch wie kommt es, dass ein Star wie Taylor Swift so intensive Emotionen auslösen kann? "Popstars leben davon, dass Fans in ihnen ihre oft ungelebten Sehnsüchte wiedererkennen. In ihnen können sie eine mögliche ideale Version ihrer eigenen Person, einen Traumpartner oder auch eine nahezu perfekte Vater- oder Mutterfigur sehen", so Hildebrandt.

Auch könne die Begegnung mit dem Idol libidinös stark aufgeladen sein. Bedeutet: Fans können einen Star sexuell begehren oder ihn generell mit positiven Emotionen besetzen.

"Das sorgt für enorme Glücksgefühle, mit denen der darauffolgende Alltag in vielen Fällen unmöglich mithalten kann."

Psychotherapeut Tarek Hildebrandt erklärt, wie ein Gefühl der Leere nach einem Konzert entstehen kann

Die lange herbeigesehnte Nähe zum Star, die starken Gefühle, die während eines Konzerts mitunter durchlebt werden und dann die plötzliche Rückkehr in den Alltag – diese Erfahrung wird von Betroffenen als belastend beschrieben. Psychoanalytiker Hildebrandt erklärt es so: "Man scheint für einen gewissen Zeitraum dieser Sehnsucht nach einem idealen Menschen und vielleicht sogar einer idealen Welt deutlich näherzukommen. Das sorgt für enorme Glücksgefühle, mit denen der darauffolgende Alltag in vielen Fällen unmöglich mithalten kann. Die oft monatelange Vorbereitung auf diese Events und teilweise sehr lange Wartezeiten für einen besonders guten Platz verstärken diese libidinöse Aufladung der Show zusätzlich."

Was hilft bei einer "Post Concert Depression"?

Doch was können Betroffene tun, wenn sie nach einem Konzert ein Gefühl von innerer Leere verspüren und sich selbst eine "Post Concert Depression" attestieren? Tarek Hildebrandt rät: "Erst einmal kann man es als Geschenk annehmen, dass man es schafft, etwas so lustvoll zu besetzen. Nicht wenige Menschen leiden darunter, dass ihnen ihre Außenwelt scheinbar nichts bieten kann, was Freude verschafft oder sie müssen mit diversen Substanzen nachhelfen, um die Realität als einen erträglichen Ort wahrzunehmen."

Daher sei es absolut in Ordnung, den Moment maximal zu zelebrieren. Empfehlenswert sei es auch, sich neben dieser Leidenschaft zu erlauben, andere Menschen, Orte und Aktivitäten zu entdecken, die man lustvoll besetzen kann und die Begeisterung nicht ausschließlich auf einen Star wie Taylor Swift zu beschränken. "Eventuell kann der Star dabei sogar ein hilfreiches Objekt sein und als Tor zu neuen Welten und auch ganz konkreten Personen fungieren."

Der persönliche Höhepunkt des Jahres könne so ein Konzert ja auch bleiben, wenn weitere schöne Momente im Laufe des Jahres dazu kommen. Auch die Medienwissenschaftlerin Sophie Einwächter befasst sich intensiv mit dem Thema Fankultur und rät im Gespräch mit der Nachrichtenagentur dpa bei einem emotionalen Tief nach einem Konzert, sich viel zu beschäftigen und mit anderen Menschen auszutauschen. Genügend "Swifties", mit denen man Fotos, Videos und Erfahrungen teilen kann, gibt es ja.

Über den Gesprächspartner

  • Tarek Hildebrandt hat in Berlin an der Humboldt-Universität Psychologie studiert und arbeitet seit seiner Approbation im Stadtteil Moabit als Psychologischer Psychotherapeut.

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