Der Tod ist - für viele ein Tabuthema. Sich Gedanken über das eigene Ende zu machen, klingt im ersten Moment morbide und löst Unbehagen aus. Beim Gedanken an schwere Krankheiten oder Unfälle fühlen sich viele dem Willen der Ärzte ausgeliefert. In Österreich gibt es aber sehr wohl die Möglichkeit, selbst über sein Ende zu bestimmen, denn 2006 wurde die so genannte Patientenverfügung eingeführt.

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Rainer K. ist sich sehr sicher: Im Fall einer unheilbaren Krankheit oder eines Unfalles mit wenig Regenerationschancen möchte er, "in Würde Abschied nehmen. Ich möchte niemals ein Dauer-Pflegefall werden, deshalb habe ich vor einigen Jahren eine Patientenverfügung errichtet."

Diese ist eigentlich eine Präventivmaßnahme: Eine Patientenverfügung stellt sicher, dass das Thema "lebenserhaltende Maßnahmen" vorab geklärt ist, etwa im Falle von schweren Unfällen oder Krankheiten, wenn der Patient nicht mehr bei Bewusstsein ist. Gemeinsam mit einem Mediziner wird dabei der sensible Punkt ermittelt, ab dem der Betroffene nicht mehr weiterleben möchte. Ab wann sie also genau greift und welche Maßnahmen eben nicht angewendet werden sollen, etwa eine künstliche Beatmung, wird daher in jeder Patientenverfügung ganz präzise und umfassend angeführt.

Notar Harald Stockinger empfiehlt eine derartige Absicherung "prinzipiell jedem, der sich Sorgen macht, was später einmal mit ihm geschieht, wenn er selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist und der nicht lange Zeit künstlich am Leben erhalten werden möchte, wenn die Chance einer Heilung minimal ist."

"Verbindliche" und "beachtliche" Patientenverfügung

Wichtig ist, schon bei der Errichtung die zwei Versionen einer Patientenverfügung zu kennen: Die so genannte "verbindliche", die auch Rainer K. gewählt hat, "einfach weil sie mir hundertprozentiger vorkommt". Der Arzt muss ihrem Inhalt umfassend Folge leisten. Sie wird von einem Notar, Anwalt oder rechtlich bewandertem Patientenvertreter errichtet und ist rechtlich bindend und mit Kosten verbunden.

Daneben gibt es die "beachtliche" Patientenverfügung, die eher als Leitfaden für den Arzt dient.

Die verbindliche Version muss unbedingt drei wesentliche Punkte umfassen, ansonsten ist sie nur "beachtlich":

  • Die Aufklärung durch den Arzt und eine Bestätigung derselben plus die Angabe der Gründe, warum jemand die Folgen seiner Erklärung vernünftig abschätzen kann.
  • Die Errichtung vor dem Notar, Rechtsanwalt oder Patientenvertreter
  • Die Wirksamkeitsbegrenzung: Eine verbindliche Patientenverfügung bleibt maximal fünf Jahre aufrecht und muss dann erneut beglaubigt werden. Der Hintergrund: Dadurch soll sich der Patient immer wieder mit seiner Entscheidung auseinandersetzen. Und widerrufen kann er sie natürlich auch jederzeit.

Fehlt auch nur einer dieser Punkte, dann wird aus der "verbindlichen" Patientenverfügung die "beachtliche", die zwar auch ganz genau definiert, welche Maßnahmen ab welchem Zeitpunkt unterlassen werden sollen, dem Arzt allerdings einen gewissen Spielraum lässt.

Was kann man sich unter diesem "Spielraum" als Laie vorstellen? Prof. Herbert Watzke, Leiter der Klinischen Abteilung für Palliativmedizin am AKH Wien, erklärt das so: "Hier wird ärztlicherseits über die zu treffenden Handlungen entschieden, aber unter Beachtung dessen, was die ,beachtliche Patientenverfügung' an Grundhaltung der Patienten erkennen lässt."

Heißt, die beachtliche Patientenverfügung ist erwähnter Leitfaden für den Arzt, der versucht, den Wünschen des Patienten zu entsprechen - wenn er diese aber nicht ausreichend aus der Verfügung erkennen kann, muss der Arzt über die weitere Behandlung unter Bedachtnahme auf das Patientenwohl selbst entscheiden. Dabei gilt: im Zweifelsfall muss die Entscheidung immer für die Erhaltung des Lebens getroffen werden.

Dreh - und Angelpunkt: Der Mediziner

Dass der Arzt als Vertrauensperson eine Schlüsselrolle schon bei der Errichtung einer solchen Patientenverfügung einnimmt, sollte klar sein. Auch für Rainer K. war "mein langjähriger, sehr geschätzter Arzt als Ratgeber und Ansprechpartner Nummer eins für alle medizinischen Belange federführend bei meiner Patientenverfügung."

Herbert Watzke, der in seinem Berufsalltag ganz selbstverständlich mit den Konsequenzen der Patientenverfügung konfrontiert ist, weiß um die Rolle des Mediziners dementsprechend gut Bescheid: "Die ärztliche Aufgabe ist gesetzlich klar festgelegt: Sie beinhaltet eine umfassende Aufklärung einschließlich der Information über Wesen und Folgen der Patientenverfügung für die medizinische Behandlung. Für die Umsetzung einer Patientenverfügung in der Praxis ist es wichtig, möglichst genau darzulegen, welche medizinischen Maßnahmen abgelehnt werden und welche gesundheitliche Beeinträchtigung vorliegen muss, auf deren Basis die Ablehnung erfolgt."

Karte in Geldbörse tragen

Notar Stockinger, weist allerdings explizit darauf hin, "dass eine Patientenverfügung in Notfällen wahrscheinlich nicht sofort berücksichtigt wird, weil der Arzt sehr schnell reagieren muss und nicht die Zeit hat, vorher zu überprüfen, ob irgendwo eine Patientenverfügung existiert." In diesem Fall ist es sinnvoll, eine Karte etwa in der Geldbörse eingesteckt zu haben, auf der vermerkt ist, dass man eine Patientenverfügung hat. Kopien davon können bei den engsten Angehörigen und beim Hausarzt hinterlegt werden.

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Österreicher schätzen die Patientenverfügung

Zentrales Register für die Patientenverfügung gibt es keines, grundsätzlich sind die Zahlen seit der rechtlichen Einführung 2006 aber im Steigen begriffen. So vermeldet alleine die österreichische Notariatskammer die Registrierung von 19.390 Patientenverfügungen im Februar 2017- um 3.500 mehr als im vergangenen Jahr. Laut Studie des Wiener Universitätsinstituts für Ethik und Recht in der Medizin haben 2009 vier Prozent aller Österreicher eine Patientenverfügung errichtet, ein Drittel davon war verbindlich.

Auch Rainer K. schätzt diese Autonomie, selbst über das Ende seines Lebens bestimmen zu können: "Damit weiß ich, ich bin abgesichert im Fall einer Krankheit, die mir ein bewusstes und gutes Weiterleben, ein Leben ohne eigene Persönlichkeitsgestaltung, versagt. Für mich ist es wichtig, nicht von Maschinen am Leben gehalten zu werden. Ich halte die Untersagung lebensverlängernde Maßnahmen für diesen Fall für mich persönlich, aber auch für meine Familie, für die allerbeste und auch wertvollste Lösung."



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