Immer wieder kommt es in Österreichs Spitälern zu gewaltsamen Attacken und Übergriffen von Patienten auf das Pflegepersonal. Hotspots sind Unfall- und Notfallambulanzen sowie Kinderambulanzen. Lange Wartezeiten lassen die Gemüter überkochen. Die ORF-Sendung "Report" befasste sich mit diesem Problem.
Lange Wartezeiten in den Krankenhäusern sind für manche Patienten so unangenehm, dass sie sich aggressiv gegenüber dem Pflegepersonal und den Ärzten verhalten. Alleine im Wiener Wilhelminenspital gab es im Vorjahr mehr als 600 Übergriffe, also gewaltsame Auseinandersetzungen zwischen Patienten und Personal.
Der ORF "Report" versuchte den Ursachen für das aggressive Verhalten von Patienten auf den Grund zu gehen und zeigte auch, wie man in den Spitälern auf diese Entwicklung reagiert.
Personal wird in Deeskalation geschult
"Verwirrter Patient hat auf Anfrage wo er hingehöre, die Pflegeperson an den Haaren gepackt und mit dem Knie gegen Bauch und Nase getreten", "Bedienstete wurde während einer Pflegehandlung von Patientin mit einem Sauerstoffschlauch gewürgt", "Die Patientin spuckte der Pflegeperson ins Gesicht, schlug und trat sie seitlich in den Oberkörper" – das sind nur einige dokumentierte Übergriffe in Spitälern.
Um das Personal auf gewaltsame Attacken von Patienten vorzubereiten, werden sie in Deeskalationstrainings geschult. Entscheidend dabei ist die Kommunikation, die in Rollenspielen geübt wird.
Da Reden aber oft nicht ausreicht, werden auch Befreiungstechniken vorgestellt. Das Motto dabei: Jede Technik muss auch schmerzfrei funktionieren, denn auch gewalttätige Patienten sind Patienten.
Gesellschaftliches Phänomen
"Wir haben hier Menschen, die nicht kommen, weil sie in einem Normalzustand sind, die sind meist in Krisensituationen oder sie kommen weil sie Schmerzen haben. Wir wissen mittlerweile aus der Neurobiologie, dass das Schmerzzentrum und das Aggressionszentrum sehr nahe im Gehirn beieinander sind. Wenn ich das Schmerzzentrum aktiviere, dann aktiviere ich gleichzeitig auch das Aggressionszentrum", erklärt Diplom Pfleger und Deeskalationstrainer Harald Stefan im "Report".
Im Wiener Wilhelminenspital wurde bei 600 dokumentierten Übergriffen 100 Mal die Polizei gerufen. "Die Contenance und die Geduld unserer geschätzten Mitbürgerinnen und Mitbürger ist enden wollend. Das ist schon festzustellen. Ich denke, dass das ein gesellschaftliches Phänomen ist, warum hier die Aggressivität zunimmt. Jeder meint, er ist selbst der Wichtigste. Aus diesem Grund entstehen da und dort natürlich auch entsprechende Reaktionen", so Günter Dorfmeister, Pflegedirektor im Wilhelminenspital.
Spitalsambulanz statt Hausarzt
Doch wie kommen die langen Wartezeiten, die so viele Patienten aggressiv werden lassen, zustande? Für Heinrich Schneider, Personalvertreter im Wilhelminenspital, liegt es auch daran, dass die falschen Patienten in die Ambulanzen kommen.
"Wir haben in der zentralen Notaufnahme zirka 4.000 Patienten im Monat. Man geht davon aus, dass 60 Prozent der Patienten, beim Hausarzt oder bei Fachärzten top medizinisch betreut werden können, sie aber das Spital aufsuchen, weil es einfacher ist, dort einen Termin zu bekommen und man auch schneller die ganzen Untersuchungen absolvieren kann", so Schneider im ORF "Report".
Auch die Öffnungszeiten der Ärzte seien ein Grund dafür, dass viele Patienten lieber in die Ambulanzen, anstatt zu Haus- oder Fachärzten gehen.
Professionelle Betreuung für Mitarbeiter
Über 200 dokumentierte Vorfälle gab es im vergangenen Jahr im St. Josef Spital in Braunau in Oberösterreich. Probleme mit Patienten gibt es hier aber nicht in den Ambulanzen, sondern im stationären Bereich, etwa mit sexueller Belästigung.
"Ich glaube grundsätzlich sind es eher Typen die sich überall so verhalten. Die diese Grenzerfahrung nicht haben, dass es bis hierher geht und dann nicht mehr. Vielleicht auch dadurch ermuntert, dass bei der Körperpflege die Grenzen der Intimität sehr häufig überschritten werden, was aus pflegerischen Maßnahmen auch notwendig ist. Das betrachten manche vielleicht als Aufforderung, sich dann so zu verhalten", so Jürgen Barth, Primar im St. Josef Spital im "Report".
Kommt es zu Übergriffen gibt es in Braunau professionelle Betreuung für die Mitarbeiter und ein klärendes Gespräch mit dem Patienten. Hilft das nicht, kann ein Patient als letzter Ausweg auch nach Hause geschickt werden.
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