Gegensätzlicher geht es kaum: Sarah Wiener, bekannte Fernsehköchin, Unternehmerin und Verfechterin nachhaltiger Landwirtschaft, traf in der Puls 4 Talkshow "Pro & Contra" auf Nestlé-Verwaltungsratspräsidenten Peter Brabeck-Letmathe. Die beiden Kontrahenten kamen auf keinen grünen Zweig.
Worum geht's?
Im Mittelpunkt der von Corinna Milborn moderierten Debatte steht die Zukunft unserer Nahrung. Wie sicher wird sie sein? Wie gesund? Woher kommt sie? Soll sie in großem Stil, von Lebensmittelkonzernen wie Nestlé, hergestellt werden oder besser in kleinbäuerlichen Strukturen?
Die Konsumenten finden in den Supermärkten ein Überangebot an Lebensmitteln vor, gleichzeitig ist deren Herstellung teilweise fragwürdig. Schlagworte wie "regional", "nachhaltig" und "Bio" boomen als Gegensatz zur industriellen Nahrungsmittelherstellung ungebrochen.
Wer sind die Gäste und welche Ansichten vertreten sie ?
Nestlé-Chef Peter Brabeck-Letmathe, der seit 50 Jahren im Konzern arbeitet und in einem halben Jahr abtreten wird, hat zu seinem Lebensthema ein Buch verfasst, "Die Zukunft der Ernährung" (Campus Verlag). Er vertritt die These, dass Nahrung eindeutig die Basis für ein gesundes Leben ist und dass die Nahrungsmittelindustrie mittels Forschung und wissenschaftlichen Erkenntnissen für hochqualitative Produkte Sorgen tragen muss.
Er weist selbstkritisch darauf hin, dass Nestlé teilweise durchaus zuviel Zucker bzw. zuviel Salz in seinen Produkten verwendet hat, auch aus dem Grund, dass es eine Zeit gab, in dem für das Überleben der Menschen die Quantität der Kalorien zählte anstatt die Qualität.
"Allerdings gab es ca. 1995 einen Paradigmenwechsel; mehr Kalorien haben die Lebenserwartung nicht mehr gesteigert, sondern sogar gesenkt, daher hat man sich bei Nestlé umorientiert. Bessere Kalorien anstatt mehr Kalorien war das Ziel", so der Kärntner. Innovative Technologien, um etwa weniger Zucker bei gleichem Geschmack einzusetzen, würden aktuell bereits angewendet.
An die Schlagkraft kleinbäuerlicher Strukturen in Bezug auf die Ernährung der Weltbevölkerung glaubt er nicht, einfach "weil das physikalisch nicht funktioniert." Städte hätten früher wenige tausend Einwohner gehabt, es gab Bauern, die die Stadt mit frischen Produkten versorgen konnten. In Millionenstädten, wäre das unmöglich. Er legt aber Wert darauf zu betonen, dass Nestlé derzeit selbst mit einer dreiviertel Million Kleinbauern als Rohstoffproduzenten zusammenarbeitet und der Konzern und dessen Arbeit von NGOs wie etwa Oxfam ein gutes Zeugnis ausgestellt bekommt.
Die Frage nach einem ultimativ gesunden Ernährungsplan verneint er, den gäbe es nicht. Zu viele Faktoren wie Genetik oder der Geburtsort würden hier wesentlich sein.
Ein wichtiges Thema für Brabeck-Letmathe ist die Ressource Wasser, dem vielzitierte Sager, das Wasser kein Menschenrecht sei, widerspricht er. Nur "die Verschwendung für Dinge wie Golfplatzbewässerung, Schwimmbecken-Befüllungen und Landscaping" sei kein Menschenrecht. Für die Abfüllung von Wasser in Plastikflaschen (Nestlé gehört global gesehen zu den wichtigsten Playern) werden "0,00009 Prozent des von der Menschheit verwendeten Wassers benutzt - wir sind also weit weg vom Monopol", meint er auf einen entsprechenden Vorwurf seitens Sarah Wieners.
Von der Politik wünscht er sich, dass bezüglich der Ressource Wasser keine emotionalen, sondern auf Fakten beruhende Entscheidungen getroffen werden.
Sarah Wiener engagiert sich stark für Öko-Projekte
Die Rolle des Konsumenten sei verständlich, "wir alle waren Verführte". Sie prangert Nestlé als Teil eines Systems an, dass Zivilisationskrankheiten wie Diabetes2 oder Fettsucht mitzuverantworten hat und minderwertige Nahrung hergestellt hat, "ob bewusst oder nicht". Sie pocht darauf, dass der Mensch selber weiß, was ihm gut tut und das es keine Wissenschaft oder Technologie braucht, um ihm das zu erklären. Die Verbundenheit mit der Natur, als Teil der Nahrungskette, ist ihr wichtig.
Individuelle Lebensmittel, individuelle Ernährung sei das Ziel, keine stark behandelten, chemisch bearbeiten Nahrungsmittel. Und: Keine Großkonzerne, kein Big data, "kein PIEP, in zwei Minuten brauchen Sie 250 Gramm von dem und dem", soll den Menschen sagen, was sie zu essen haben. Von der Politik wünscht sie sich, die Ernährungssouveränität zu stärken, in Folge die Fähigkeiten rund ums Kochen zu stärken, kein Wasser,- und Landgrabbing und gesunden Boden unter den Füßen, "den wenn der nicht ist, sind wir nicht mehr."
Der Moment des Abends
Auf die Frage, ob sie dem Stand der Wissenschaft in Sachen Ernährung voraus sei, meint eine hochemotionale Sarah Wiener: "Nein! Ich glaube, wir brauchen die Wissenschaft nicht, um uns natürlich zu ernähren. Was simma, Maschinen oder Programme oder Teil dieser Natur? Wir wollen im Einklang mit der Natur leben und nicht chemisch verarbeitete, stark aufbearbeite Nahrung , die eine ganze Kette von Vernichtung nach sich zieht!
Was ist das Ergebnis?
Die Sendung heißt "Pro und Contra" und genau das hat sie diesmal auch geboten. Zwei stark divergierende Meinungen trafen aufeinander, die ideologischen Ausrichtungen waren von Anfang an klar. Vieles wurde schon oft gehört, trotzdem war es für den Zuseher ein spannendes Streitgespräch.
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