Aktuell kommen in Deutschland rund doppelt so viele Kinder mit einem Kaiserschnitt auf die Welt wie noch vor 25 Jahren. Nahezu jedes dritte Kind wird hierzulande inzwischen mit einem Kaiserschnitt geboren. Könnte das möglicherweise langfristige Folgen für die Menschheit haben?
Kaiserschnitt oder vaginale Geburt? Nach wie vor kommen die meisten Kinder in Deutschland durch eine natürliche Geburt auf die Welt. Zugleich hat sich die Zahl der Kaiserschnitte hierzulande seit 1991 aber verdoppelt: Inzwischen kommt rund jedes dritte Kind in Deutschland durch einen Kaiserschnitt zur Welt. Das geht aus den Zahlen hervor, die das Statistische Bundesamt (DESTATIS) Ende 2017 veröffentlicht hat.
Oft gilt ein Kaiserschnitt als die einfachere Geburt, da die Wehenschmerzen dabei nicht so stark ausgeprägt sind. Es kommt in der Folge auch seltener zu Inkontinenz und Problemen mit dem Beckenboden.
Dafür brauchen Mütter nach einem Kaiserschnitt aber im Vergleich oft länger, um sich von der Geburt zu erholen. Ein Kaiserschnitt und eine natürliche Geburt bringen grundsätzlich also jeweils eigene Vorteile und Nachteile mit sich.
Frauen sind älter als früher, wenn sie Kinder bekommen
Doch warum ist die Zahl der Kaiserschnitte in Deutschland überhaupt so stark angestiegen? Dafür werden verschiedene Gründe diskutiert. Einer von ihnen ist der, dass Frauen im Schnitt älter sind als früher, wenn sie Kinder bekommen. Dadurch entstehen auch mehr Risiken, so dass eher einmal zum Kaiserschnitt geraten wird.
Liegen medizinische Gründe vor, wird ohnehin oft zum Kaiserschnitt geraten: Das ist zum Beispiel der Fall, wenn das Kind sich bis zur Geburt nicht gedreht hat, es sich um Mehrlinge handelt oder es andere Probleme gibt, wenn beispielsweise das Becken der Mutter sehr eng ist. Ein Kaiserschnitt ist aber auch aus psychischen Gründen möglich – zum Beispiel dann, wenn die werdende Mutter sehr große Angst vor der Geburt hat.
Frauen könnten wieder schmalere Becken entwickeln
Was aber bedeutet die Zunahme der Kaiserschnitte insgesamt für die Menschheit? Sie könnte dazu führen, dass es wieder mehr Frauen mit schmaleren Becken gibt. Das jedenfalls ist das Ergebnis einiger Studien.
Wieso könnten Kaiserschnitte diese Folgen haben? Die Evolutionsbiologin Barbara Fischer, die an der Studie beteiligt war, erklärt: "Früher wären Frauen, deren Becken zu eng für den Kopf des Fötus ist, bei der Geburt gestorben". Zum Glück passiert das heute durch Kaiserschnitte nicht mehr.
Aber: "Da sowohl Beckendimensionen als auch Kopfgröße zu einem gewissen Anteil genetisch bestimmt sind, beeinflusst dies unweigerlich den menschlichen Genpool – und damit auch zukünftige Geburten", sagt Fischer.
Menschliche Geburt ist ein Sonderfall in der Natur
Grundsätzlich habe die Natur die menschliche Geburt nicht optimal eingerichtet. Die Evolution habe viele Dinge "gerade eben gut genug", aber nicht perfekt gelöst, erläutert die Biologin.
Vergleiche man die menschliche Geburt mit der Situation bei anderen Menschenaffen, so fällt laut Fischer auf, dass menschliche Föten bei der Geburt insgesamt überproportional groß sind und riesige Köpfe haben, im Verhältnis zum Körpergewicht eines Erwachsenen.
Menschen müssen also außerordentlich große Neugeborene zur Welt bringen, so Fischer – und das durch ein Becken hindurch, das verhältnismäßig eng ist. "Im Vergleich zu allen anderen Menschenaffen ist bei uns viel weniger Platz im Geburtskanal für den Fötus", sagt Fischer. "Das macht den Geburtsprozess langwierig und riskant."
Evolution löst nicht alle Probleme gleich gut
Auch andere Teile des Körpers seien nicht optimal eingerichtet. "Denken Sie beispielsweise daran, wie viele Probleme wir mit unserer Wirbelsäule haben, ab einem bestimmten Alter mit unseren Knie- und Hüftgelenken oder auch mit unseren Zähnen", sagt Fischer. "Es gibt unzählige weitere Beispiele. In der Evolution kommt es nur auf das Überleben der Art an, aber nicht auf das Leben eines Individuums."
Deshalb nun ohne medizinische Indikation ausschließlich auf Kaiserschnitte zu setzen, ist aber auch keine Lösung. Ein Kaiserschnitt sollte nur dann durchgeführt werden, wenn dafür triftige Gründe vorliegen, sagt auch Fischer.
Kaiserschnitte führen oft zu weiteren Kaiserschnitten
Mehrere Studien deuten darauf hin, dass ein Kaiserschnitt die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass auch das folgende Kind einer Frau mit einem Kaiserschnitt auf die Welt kommt. Fischer kritisiert davon abgesehen aber das negative Bild, das häufig von Kaiserschnitten gezeichnet werde. "Das übt unnötigen Druck auf die Frauen aus. Es sollte doch nur darauf ankommen, dass nach der Geburt sowohl Mutter als auch Kind gesund sind."
Auch eine vaginale Geburt sei nicht ohne Risiken. "Je nach Situation kann sie viel riskanter sein als ein Kaiserschnitt", sagt Fischer. Das gilt zum Beispiel bei einer Beckenendlage.
Spätestens zum Ende der Schwangerschaft drehen sich die Föten in der Regel, so dass sie mit dem Kopf zuerst auf die Welt kommen. Doch das gelingt nicht allen Föten, so dass bei manchen Rücken oder Beine unten liegen. In diesem Fall wird beispielsweise häufig zu einem Kaiserschnitt geraten.
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