Leipzig - Aus der Turnhalle eines Hockey-Clubs in Leipzig dringt das helle Geräusch aufeinander klirrenden Stahls. Hier jagen an diesem Abend keine Spieler einem Ball hinterher. In der Halle trainieren knapp 20 Mitglieder der Stahlakademie Historisches Fechten.

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Überwiegend in schwarzer Montur üben sie mit Schwertern eine Kampfkunst nach alter Art. Was ein bisschen nach "Herr der Ringe" und Rollenspiel klingt, ist tatsächlich ein anstrengender Sport mit festen Regeln - der in Deutschland immer populärer wird.

Jahrhundertealte Anleitungen für Gefechte

"Es geht um das Fechten selbst und um das Eintauchen in die Geschichte", erläutert Stahlakademie-Chef Torsten Schneyder den Kern des Historischen Fechtens. Der Sport wird auch HEMA (Historical European Martial Arts) genannt. Neben der Technik und den sauber ausgeführten Schlägen, die hier zum Beispiel "Oberhau" oder "Unterhau" heißen, ist den Historischen Fechtern das Studieren alter Quellen wichtig. Sie suchen in jahrhundertealten Texten nach Anleitungen für Gefechte und trainieren danach.

Schneyder hat die Stahlakademie 2014 in Leipzig gegründet. "Ich bin ein herumreisender Fechtlehrer", sagt der 48-Jährige. Vor über 20 Jahren, damals noch in Hessen zu Hause, hat er angefangen, sich dem Historischen Fechten zu widmen. In seiner Fechtschule beruft er sich auf Johannes Liechtenauer, der als "alter Meister" gilt und laut Schneyder stilprägend für die Fechtkunst im Mittelalter war. Die Mitglieder in Schneyders Fechtschule sind zwischen 16 und an die 60 Jahre alt.

Der quasi akademische Anspruch ist es auch, der einen Teil der Schülerinnen und Schüler anzieht. Tobias Prüwer zählt dazu. "Ich bin eigentlich Historiker und habe auch Philosophie studiert", erzählt der 45-jährige Journalist. Die Quellenarbeit, also das Studium alter Texte, interessiere ihn. Die sportliche Betätigung bekomme ihm natürlich auch gut. "Ich hab seit acht Jahren kein Rücken mehr", sagt er. Unter seiner schwarzen Fechtmaske kommt Prüwer ordentlich ins Schwitzen, während er sein schweres Schwert schwingt.

Bis zu 5000 HEMA-Sportler bundesweit

Die Historischen Fechter haben inzwischen auch einen eigenen Dachverband - den DDHF. Dort sind 84 Vereine mit ungefähr 2500 Fechterinnen und Fechtern organisiert, wie Sprecher Björn Rüther sagt. Bundesweit gebe es aber bis zu 5000 HEMA-Sportler. Gebildet habe sich die Community in den 1990ern Jahren aus einigen Begeisterten. "Damals war alles noch sehr experimentell. Es gab keine Produzenten für Schutzausrüstung oder für Schwerter", erzählt Rüther. Das habe sich geändert. "Seit zehn Jahren boomt es richtig."

Der DDHF bemüht sich um eine weitere Professionalisierung. Ziel seien die offizielle Anerkennung des Sports und Mitgliedschaften in den Landessportbünden oder dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Soweit sei man aber noch nicht, sagt Rüther. Dem Dachverband ist auch die Abgrenzung zum Sportfechten wichtig, denn das Historische Fechten habe damit nichts zu tun. Das liegt nicht nur an den anderen Waffen - Schwert oder Dolch statt Florett oder Degen - sondern an der ganzen Theorie im Hintergrund. Außerdem darf beim Historischen Fechten gerungen werden.

In der Stahlakademie von Torsten Schneyder in Leipzig üben sich Sportler unterschiedlichster Niveaus im Historischen Fechten. Es sind Anfänger dabei, die noch mit Plastikschwertern vorsichtig die Bewegungsabläufe einstudieren. Aber auch ein Mitglied des Nationalkaders Rapier, einer speziellen Waffe, trainiert dort. Fechtlehrer Schneyder ist es wichtig, dass jede und jeder willkommen ist. Auf die Frage, was Historisches Fechten noch ausmacht, antwortet er: "Die offene, progressive Art der Szene."  © dpa

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