Menschen, die sich die Falten im Gesicht per Injektion glätten lassen, werden immer jünger. Ein ARD-Film zeigt, welche Gefahren das mit sich bringt. Denn eigentlich dürfen nur Ärzte das Nervengift verabreichen.

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Selina, 28 Jahre alt, stört die Falte zwischen ihren Augenbrauen, sagt sie für die ARD-Dokumentation "Botox-Business: Undercover bei illegalen Beauty-Docs" (ab 12. März in der ARD-Mediathek) in die Kamera. Alle paar Monate geht sie zu einer Ärztin, die ihr gegen diesen scheinbaren Makel Botox spritzt.

Das Nervengift, das aus verschiedenen Bakterien gewonnen wird, wurde 1815 zum ersten Mal von dem Arzt Justinus Kerner wissenschaftlich beschrieben. In niedriger Konzentration lähmt es Muskeln und wird deshalb in der Medizin bei verschiedenen Erkrankungen eingesetzt, etwa gegen Schielen, Spannungskopfschmerzen und Migräne.

Populär wurde Botox durch seinen Einsatz in der Schönheitschirurgie. Aus diesem Grund sitzt auch Selina bei ihrer Ärztin. Nach der Injektion hat sie für einige Monate Ruhe: Ihre Zornesfalte gibt es nicht mehr, die Stirn bleibt glatt. Und ihre Ärztin weiß, was sie tut. Auf die Frage, ob sie sich das Gift auch selbst injiziert, antwortet sie: "Alles, full face, nicht nur Botox, Laser, Hyaluron. Ich bin aber auch ein paar Jahre älter." Sie lacht und das, was sich in ihrem Gesicht noch bewegt, lacht mit.

Aus Hollywood in die breite Masse

Botox hat in den letzten Jahren eine rasante Karriere gemacht. Die straffen Gesichter waren lange Zeit vor allem Hollywood-Stars vorbehalten, doch die Injektion ist mittlerweile in der breiten Masse angekommen. Menschen, die sich damit behandeln lassen, werden immer jünger. Ein Grund dafür ist der Einfluss von Social Media, laut einer zitierten Statistik geben ein Viertel der Befragten an, davon bei ihrer Entscheidung beeinflusst zu sein.

Influencer machen in ihren Videos Werbung für den Eingriff und nehmen ihre Follower per Handykamera mit zu den Terminen. In Deutschland darf Botox nur von Ärzten verabreicht werden. Heilpraktiker etwa dürfen zwar Hyaluronsäure spritzen, machen sich aber strafbar, wenn sie Botox verabreichen. Das hält viele aufgrund der großen Nachfrage allerdings nicht ab.

Wie die ARD in ihrer investigativen Recherche zeigt, blüht der Markt mit Laien, die zur Spritze greifen. Mit versteckter Kamera schicken die Reporter Lockvögel zu verschiedenen Anbietern. Eine Heilpraktikerin verrät, dass sie noch nicht mal ihre Ausbildung abgeschlossen hat, während sie die Spritze in ihrem Wohnzimmer ansetzen will. Eine andere schlurft im Jogginganzug ins Zimmer, eigentlich ist sie gerade im Mutterschutz. Sogar vor Minderjährigen machen sie nicht Halt.

Ein Arzt, der sich die wackeligen Bilder der Reporter auf seinem Laptop anschaut, kann nur bitter lachen. Nicht ohne Grund ist der Einsatz von Botox auf Mediziner beschränkt. Weder wissen die illegalen Anwender, was sie genau verabreichen, noch sind sie sich der möglichen Konsequenzen bewusst. Das reicht von Verunreinigungen des Mittels über Entzündungen bis hin zu Schluck- und Kaubeschwerden durch gelähmte Muskeln.

Fünf Monate ohne Lachen

Dass das schiefgehen kann, erzählt auch die 30-jährige Erzieherin Gizem, die sich das Kinn mit Botox verschmälern lassen wollte und nach der Behandlung fünf Monate lang nicht lachen konnte. In dieser Zeit traute sie sich vor Scham nicht vor die Tür. Der Einsatz von Botox kann so auch Folgen für die geistige Gesundheit haben, erklärt ein Psychiater. Denn wer nicht richtig lachen könne, fühle es auch nicht, sagt der Fachmann. Auf der anderen Seite könne sich der Eingriff aber auch positiv auf Depressionen auswirken, weil das Selbstwertgefühl steige.

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Der ARD-Film berichtet das alles in einem neutralen Ton, ohne zu urteilen. Reporter Timm Giesbers gibt selbst zu, schon einmal Botox ausprobiert zu haben. Zu kurz kommt in der halbstündigen Reportage nur, was alle Frauen, die über ihre Erfahrungen mit dem Botox-Eingriff vor der Kamera sprechen, vereint: Sie alle erzählen, dass sie sich schon in sehr jungen Jahren nicht wohl in ihrer Haut gefühlt haben.

Polizistin Nele berichtet, dass sie ihre Stirnfalte schon mit 16 Jahren störte. Auf ihrem Handy zeigt sie, wie sie automatisch auf Fotos von sich in wenigen Sekunden den vermeintlichen Makel mit einem Bildbearbeitungsprogramm retuschiert. Das böte sich doch als Thema für eine nachfolgende Recherche an: Wie wir immer mehr versuchen, auch im echten Leben zu einer Social-Media-Variante von uns selbst zu werden. Selbst mit dem Risiko, ein paar Monate nicht mehr lachen zu können.

Verwendete Quellen