Haben Sie manchmal Durchfall und Blähungen, leiden womöglich unter Hautproblemen und fühlen sich immer wieder schlapp und müde? Grund dafür könnte eine Gluten-Unverträglichkeit sein. Dramatisch dabei: Neun von zehn Betroffenen kennen die Ursache für ihr Leiden nicht.
Lange wurde die Häufigkeit von Gluten-Unverträglichkeit, bekannt auch als Zöliakie, unterschätzt. "Vor zehn bis 15 Jahren hielt man sie sogar für eine reine Kinderkrankheit", erklärt Harald Vogelsang, Leiter der Spezialambulanz für Zöliakie am Wiener AKH. Das Leiden tritt häufig beim Übergang von der Muttermilch zu glutenhaltiger Babynahrung auf.
Heute vermuten Mediziner eine Häufigkeit der Krankheit von 1:300 bis 1:100. "In Österreich kann man davon ausgehen, dass etwa ein Prozent der Gesamtbevölkerung von Zöliakie betroffen ist", so Vogelsang. Nur: Meistens werde die Unverträglichkeit gar nicht diagnostiziert. Viele leiden jahrzehntelang, ohne zu wissen, was dahinter steckt. Manche Patienten landen schließlich sogar beim Psychiater statt beim Ernährungsmediziner.
Tückisch: Gluten steckt in an sich gesunder Nahrung
Gluten ist ein Kleber-Eiweiß, das wir häufig mit an sich gesunder Ernährung wie Brot, Müsli und Nudeln aufnehmen, da es in den Brotgetreidesorten Roggen, Gerste, Dinkel, Grünkern, Kamut und Weizen enthalten ist. Bei Betroffenen führt die Aufnahme solcher Nahrungsmittel - dazu gehört auch Bier - zu einem Verlust der Darmzotten im Dünndarm, die für die Nahrungsaufnahme ganz wesentlich sind. Typische Symptome sind Darmbeschwerden, Durchfall, Erbrechen, andauernde Übelkeit, Hautausschläge, Gewichtsabnahme, Muskelschwäche und Müdigkeit. Zöliakie kann sich aber auch auf völlig andere Art und Weise äußern, manche Patienten neigen laut Vogelsang sogar zu Übergewicht und Verstopfung. Er nennt das die "stummen Formen" der Krankheit: "60 Prozent der Betroffenen klagen noch nicht einmal über Bauchschmerzen."
Hausärzte sollten die Gluten-Unverträglichkeit mehr im Blick haben, appelliert der Wiener Mediziner. "Zu den klassischen Symptomen gehört auch Eisenmangel. Bei weiblichen Patienten wird er häufig kurzerhand mit der Regelblutung erklärt", kritisiert er. Zwei Drittel der von Zöliakie Betroffenen seien Frauen - warum, sei bis heute ungeklärt.
Heilung durch Diät
Die Krankheit ist genetisch bedingt und besteht ein Leben lang, sie lässt sich zum Leidwesen vieler Patienten bisher nicht medikamentös behandeln, aber - und darin besteht für Vogelsang das Außergewöhnliche an dieser genetischen Veranlagung: "Die Leiden können durch eine Diät vollkommen geheilt werden." Ein genauer Ernährungsplan ist nötig, der den Patienten einiges an Disziplin abverlangt. In ganz Österreich haben sich deshalb Betroffene zu Zöliakie-Selbsthilfegruppen zusammengefunden.
Bisher war es recht aufwändig, die Unverträglichkeit zu diagnostizieren, seit kurzem gibt es dafür aber Schnelltests in der Apotheke. "Nach einem positiven Test sollte man die Diagnose aber vom Arzt bestätigen lassen, bevor eine Diät begonnen wird", betont Vogelsang, "die Umstellung der Ernährung könnte eine womöglich anders lautende Diagnose sonst verwischen. Das ist unbedingt zu vermeiden."
Wer tatsächlich betroffen ist, muss noch lange nicht allen Leckereien dieser Welt abschwören: Bedenkenlos kann man etwa Fisch, Fleisch, Obst, Gemüse und Milchprodukte ohne Zusätze zu sich nehmen. Alternative Getreidesorten sind beispielsweise Hirse, Mais und Amarant.
"So arbeitet die Redaktion" informiert Sie, wann und worüber wir berichten, wie wir mit Fehlern umgehen und woher unsere Inhalte stammen. Bei der Berichterstattung halten wir uns an die Richtlinien der Journalism Trust Initiative.