Ein ungesunder Lebensstil kann Menschen über 50 mehr als ein Jahrzehnt Lebenszeit kosten. Laut einer neuen Studie spielen fünf Faktoren dabei eine besondere Rolle. Auch im mittleren Alter lohnt es sich deshalb noch, seine Gewohnheiten zu ändern.

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Lange leben und das bei bester Gesundheit: ein Wunsch, den wohl die meisten teilen. Wie hoch die Lebenserwartung ist, hängt laut einer neuen Studie von fünf entscheidenden Faktoren ab: Rauchen, Gewichtsprobleme, hohes Cholesterin, Diabetes und Bluthochdruck. Diese Faktoren erhöhen das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen deutlich und können Menschen über 50 über ein Jahrzehnt an Lebenszeit kosten. Immerhin: Mit einem entsprechenden Lebensstil und Prävention könne man viele Jahre gewinnen.

Zu diesem Schluss kommt eine unter deutscher Leitung erstellte Studie, deren Ergebnisse im Fachblatt "The New England Journal of Medicine" veröffentlicht wurde.

Lebensstil beeinflusst Lebenszeit um mehr als zehn Jahre

Eigentlich wissen wir alle, wie gesundheitsschädlich Nikotin oder eine schlechte Ernährung für unsere Gesundheit und hier speziell für unser Herz-Kreislauf-System sind. Die nun publizierte Studie stellt noch einmal eindrücklich in Zahlen dar, wie viel verlorene Lebensjahre auf das Konto derartiger Herz-Kreislauf-Risiken geht.

"Die fünf klassischen Risikofaktoren Bluthochdruck, Rauchen, Diabetes, Unter- oder Übergewicht beziehungsweise Adipositas, und hohe Cholesterinwerte sind weltweit für etwa die Hälfte aller Herz-Kreislauf-Erkrankungen verantwortlich", sagt Christina Magnussen, Erstautorin und stellvertretende Direktorin der Klinik für Kardiologie des Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE). "Wir wollten wissen, wie sich die Abwesenheit oder Kontrolle dieser Faktoren auf die Lebenszeit auswirkt."

Ablauf der Studie

  • Das Team analysierte die Daten von über zwei Millionen Menschen aus 39 Ländern auf fünf Herz-Kreislauf-Risikofaktoren.
  • Es erstellte Modellrechnungen, um das Risiko für eine Herz-Kreislauf-Erkrankung - wie etwa Herzinfarkt oder Schlaganfall - für Menschen mit und ohne diese Risikofaktoren zu berechnen.

Bei ihrer Untersuchung kamen die Forschenden zu dem Schluss, dass Menschen, die im Alter von 50 Jahren alle diese Risikofaktoren aufwiesen, früher eine Herz- oder Kreislauferkrankung erlitten als Menschen ohne jene Faktoren. Konkret waren es bei Frauen im Schnitt 13,3 Jahre und bei Männern 10,6 Jahre. Zudem war die Lebenszeit bei Frauen mit allen Risikofaktoren um 14,5 Jahre und bei Männern um 11,8 Jahre kürzer.

"Die fünf Risikofaktoren sind für Frauen sogar noch relevanter als für Männer", sagt Ulrich Laufs, Direktor der Klinik und Poliklinik für Kardiologie am Universitätsklinikum Leipzig, in einer unabhängigen Einordnung.

An den Umfragen des Meinungsforschungsinstituts Civey kann jeder teilnehmen. In das Ergebnis fließen jedoch nur die Antworten registrierter und verifizierter Nutzer ein. Diese müssen persönliche Daten wie Alter, Wohnort und Geschlecht angeben. Civey nutzt diese Angaben, um eine Stimme gemäß dem Vorkommen der sozioökonomischen Faktoren in der Gesamtbevölkerung zu gewichten. Umfragen des Unternehmens sind deshalb repräsentativ. Mehr Informationen zur Methode finden Sie hier, mehr zum Datenschutz hier.

Änderung des Lebensstils lohnt sich auch in späten Lebensjahren

Der Mediziner betont, dass das Risiko größer werde, je mehr Risikofaktoren vorlägen: "Die Risikofaktoren verstärken sich gegenseitig." Daher sei jeder Faktor individuell wichtig, wobei sich in der Studie eine besonders starke Assoziation für Nikotin und Bluthochdruck zeigte: Wer im Alter zwischen 55 und 60 Jahren mit dem Rauchen aufhörte, gewinne zwei Lebensjahre, wer seinen Blutdruck in den Griff bekomme, werde mit 1,7 zusätzlichen Jahren belohnt.

Tatsächlich zeigen die Studienergebnisse im Umkehrschluss, wie wichtig Prävention ist. Heribert Schunkert vom Deutschen Herzzentrum München betont, dass es auch mit 50 Jahren nicht zu spät sei, den Lebensstil zu verbessern und Risikofaktoren zu behandeln: "Viele gesunde Lebensjahre sind der Lohn."

Dabei seien die Ergebnisse vor allem für Deutschland relevant, sagt Holger Thiele, Direktor der Universitätsklinik für Kardiologie - Helios Stiftungsprofessur am Herzzentrum Leipzig: "Hierzulande sind die Hauptrisikofaktoren, die in dieser Studie untersucht wurden - Rauchen, Übergewicht, Diabetes, Bluthochdruck und erhöhter Cholesterinwert - im Vergleich zu anderen europäischen Ländern in der Bevölkerung deutlich überrepräsentiert."

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Das sei sicherlich einer der Gründe, warum Deutschland im Vergleich zu den anderen westeuropäischen Ländern eine um 1,8 Jahre geringere Lebenserwartung aufweise. "Und das, obwohl Deutschland eines der Länder mit den höchsten Gesundheitsausgaben weltweit ist", fügt Thiele an, der auch Präsident der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie ist.

Forscher fordern mehr Fokus auf Prävention

In Deutschland werde jedoch eine auf Prävention fokussierte Gesundheitsversorgung bislang nur ungenügend umgesetzt, merkt Kardiologe Stephan Baldus von der Uniklinik Köln an: "Deutschland hat kein Früherkennungsprogramm der angeborenen Hypercholesterinämie bei Kindern, kein auf Einladung basierendes Präventionsprogramm zur Erkennung von Bluthochdruck, Diabetes oder Niereninsuffizienz und nur ein ungenügendes Raucher-Entwöhnungsprogramm." Eine entsprechende Prävention sei auch darum wichtig, weil sich die Risikofaktoren auch auf Krebs- und neurologische Erkrankungen auswirkten.

"Wir geben in Deutschland das Geld für kardiovaskuläre Medizin erst dann aus, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist."

Oliver Weingärtner, Oberarzt am Universitätsklinikum Jena

Insgesamt zeige die Studie, dass kardiovaskuläre Erkrankungen - die Todesursache Nummer eins in Deutschland - zum Großteil vermeidbar wären, fasst Oliver Weingärtner, Oberarzt am Universitätsklinikum Jena, zusammen. Gesundheitspolitisch seien daher präventive Maßnahmen zu begrüßen, die die Entstehung kardiovaskulärer Erkrankungen in den Vordergrund stellen.

Weingärtner kritisiert: "Wir geben in Deutschland das Geld für kardiovaskuläre Medizin erst dann aus, wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist." Gesundheitspolitisch sei es effektiver, die Erkrankung gänzlich zu verhindern, "anstatt dann erst zu behandeln, wenn die Erkrankung manifest wird und viele schon das Leben gekostet hat". (Alice Lanzke, dpa/bearbeitet von sbi)