- Hinken wir dem Rest der Gesellschaft hinterher, wenn wir unsere "Resilienz" noch nicht trainiert haben?
- Zu welchen Missverständnissen der Hype um den Begriff führt, erklärt Therapeutin Anette Frankenberger im Podcast "15 Minuten fürs Glück".
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"Wie kann ich meine Resilienz trainieren?" Nicht erst seit der Coronakrise ist das ein riesiges Thema. "In der Psychologie ist mit Resilienz die seelische Widerstandsfähigkeit gemeint. Also die Fähigkeit von Menschen, Schicksalsschläge, Niederlagen und tiefe, schwierige Einschnitte in unserem Leben zu meistern, daraus zu lernen und im besten Fall daran zu wachsen", erklärt die systemische Paar- und Familientherapeutin Anette Frankenberger in der aktuellen Folge des Podcasts "15 Minuten fürs Glück".
Therapeutin: "Resilienz kann man nicht trainieren"
Den Hype um den Begriff beobachtet die Expertin mit großer Sorge. Vor allem, dass allerorts "Resilienztrainings" angeboten würden, führe zu einem fatalen Missverständnis: "Dass man Resilienz trainieren kann wie Selbstbewusstsein oder Durchsetzungsfähigkeit."
Ihre Kritik richtet sich nicht auf die Inhalte aus Resilienztrainings - vermittelt werden dabei etwa Akzeptanz, Lösungsorientierung, die Wichtigkeit von Selbstfürsorge und sozialen Bindungen. Die Begriffe miteinander zu verbinden, sei aber falsch: "Es führt zu dem Irrglauben, auf Schicksalsschläge könnten wir uns vorbereiten. Resilienz lässt sich nicht trainieren."
In der Forschung bestehe keine Einigkeit, warum der eine Mensch an einem Schicksalsschlag zerbreche, der andere aber nicht. Auch wisse man nicht, inwieweit eine gewisse Widerstandsfähigkeit genetisch sei. "Wie wir reagieren werden und inwieweit wir über Resilienz verfügen, finden wir erst heraus, wenn etwas Schlimmes passiert", betont Frankenberger.
Liebevoller Blick auf uns und den anderen ist wichtig
Diese Unsicherheit sei freilich schwer auszuhalten: "Wir wünschen uns natürlich immer, vorbereitet zu sein und zu wissen, dass wir alles haben, was wir brauchen werden. Doch wir wissen es eben nicht. Selbst wenn wir in einem der sichersten und wohlhabendsten Länder der Welt leben, müssen wir uns mit dieser Unsicherheit anfreunden. Wir wissen nicht, was morgen sein wird – und das mögen Menschen nicht", erklärt die Therapeutin, die seit fast 30 Jahren in eigener Praxis arbeitet.
Empfehlungen, die "Resilienz" zu trainieren, hält sie für eine gefährliche Tendenz: "Das vermittelt: Hätten wir nur den richtigen Kurs besucht oder das richtige Buch gelesen, wäre alles nicht so schlimm. Am Ende sind wir selber schuld, wenn es uns schlecht geht, weil wir unsere Resilienz ja nicht trainiert haben."
Das erzeuge unnötigen Druck: "Es gibt Momente, in denen wir keinen Zugang dazu haben, eine Situation zu akzeptieren oder uns um unsere Selbstfürsorge zu kümmern. Dann ist es geradezu zynisch, wenn uns jemand sagt: Trainiere doch deine Resilienz oder tu etwas für deine Selbstfürsorge. Wir haben genug damit zu tun, überhaupt weiterzuleben", weiß Frankenberger. "Dann hilft auch der beste Tipp nicht."
Deshalb lautet die dringende Empfehlung der Therapeutin, gnädiger zu werden: "Mit uns und unseren Mitmenschen. Einen liebevollen Blick auf sich selbst behalten und auf Menschen, denen es gerade nicht gut geht – das ist so ungeheuer wichtig."
Podcast "15 Minuten fürs Glück"
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