New York (dpa) - Er sitzt mitten auf dem Geheweg in einem brüchigen Bürostuhl, schwarze Kapuze auf dem Kopf, neben ihm ein Einkaufswagen. Der Mann auf dem Foto ist offenbar obdachlos - und surft auf der Straße im Internet.
"LinkNYC", die neuen Internet-Terminals für den kostenlosen Online-Zugang in New York, versprechen Millionen Bürgern, Besuchern, und selbst Menschen ohne festes Dach über dem Kopf Zugriff zum Netz mit Höchstgeschwindigkeit. Die Macher schwärmen schon jetzt von der "Telefonzelle von morgen."
In der Tat dürften die bis zu 10 000 Säulen, die stadtweit in den nächsten acht Jahre aus dem Boden schießen sollen, Einheimischen und Touristen ihr Leben etwas leichter machen. Smartphone-Nutzer können sich im Umfeld von 45 Metern zur Säule umsonst in das WLAN einloggen, teils reicht das Signal bis zu 120 Meter weit. Mit bis zu 1000 Megabit pro Sekunde ist "LinkNYC" den Machern zufolge hundertmal schneller als andere öffentliche Drahtlos-Netzwerke in den USA. An USB-Anschlüsse zum Aufladen des Akkus wurde auch gedacht.
Gerade Touristen, die sich bei ihrem Stadtrundgang von Café zu Café hangeln, um den Weg zum Museum oder Restaurant nachzuschlagen, dürfte der Service in die Karten spielen. Und selbst bei den New Yorkern, die ihr Telefon meist kaum aus der Hand legen und dauerhaft online zu sein scheinen, ist das Web noch nicht überall angekommen: Mehr als ein Viertel aller Haushalte in der schnelllebigen Millionenmetropole haben laut einer Studie von Ende 2014 zu Hause keinen Zugang zum Breitband-Internet. Landesweit gibt es laut der Online-Enzyklopädie Wikipedia immer 78 Städte mit öffentlichem WLAN in irgendeiner Form.
Selbst wer kein Smartphone hat, kann in New York an den drei Meter hohen Säulen mit einem integrierten Tablet umsonst surfen, in einem Kartendienst nach dem Weg suchen oder umsonst innerhalb der USA telefonieren - per Lautsprecher oder dank Kopfhörer-Eingang auch mit Headset. Und: Wer auf den roten Knopf drückt, wird umgehend mit der Notrufzentrale verbunden. Die ersten Säulen in Manhattan laufen bereits, 500 Stück sollen diesen Sommer in Betrieb sein, mehr als 250 Geräte können einen Kiosk jeweils gleichzeitig nutzen. Bisher stehen die Terminals in Manhattan, andere Stadtteile sollen folgen.
Doch Datenschützern bereitet die glückliche Kunde vom kostenlosen Highspeed-Netz Sorgen. Die zum Login notwendigen E-Mail-Adressen der User, besuchte Websites und Verweildauer auf bestimmten Inhalten würden ab Login bis zu zwölf Monate gespeichert, kritisiert die Bürgerrechtsorganisation NYCLU in einem Brief an Bürgermeister Bill de Blasios Rechtsabteilung. Da viele Nutzer sich täglich einloggen könnten, ließen Datenschutzrichtlinien sogar eine Hintertür offen, um die Daten letztlich auf unbestimmte Zeit zu speichern.
"Eine massive Datenbank dieser Art schafft ein unangemessenes Risiko für Missbrauch und unerlaubten Zugang", warnt die NYCLU. Die Gefahr: Sicherheitslücken und unbefugter Zugriff durch Regierung und Polizei. "Die privaten Online-Aktivitäten der New Yorker sollten nicht genutzt werden, um eine massive Datenbank in direkter Reichweite (der Polizei) NYPD zu erzeugen", sagt NYCLU-Direktorin Donna Lieberman. Nutzer gäben ihre politischen Ansichten, religiösen Überzeugungen oder Informationen über ihre Gesundheit und Familie preis.
Vor allem durch an den Säulen integrierte Kameras und sogenannte Umweltsensoren entsteht der Eindruck, dass das ohnehin schon stark überwachte New Yorks einen weiteren Schritt in Richtung Big Brother macht. Weder Kameras noch die Sensoren, die etwa die Temperatur und Umgebungsgeräusche registrieren sollen, seien derzeit in Betrieb, sagt "LinkNYC"-Managerin Jen Hensley der Deutschen Presse-Agentur. Wann oder wofür genau sie eingesetzt werden wollen, sagt sie nicht. Die NYCLU fürchtet, dass diese Informationen direkt an die Polizei oder das stadtweite System zur Terrorabwehr einfließen könnten.
Einigen Beobachtern macht derweil noch eine ganz andere Tatsache Sorgen: Hinter dem Konsortium Citybridge, das die Säulen mit digitalen Werbetafeln finanzieren will, steht unter anderem das Unternehmen Intersection. Das wiederum gehört zu Sidewalk Labs, das seinerseits von einem Konzern gegründet wurde, der wegen seiner riesigen Datenbestände schon lange in der Kritik steht und der seinen Kartendienst gleich mit in die Säulen verbaut hat: die Google-Muttergesellschaft Alphabet. © dpa
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