Mountain View (dpa) - Vor zehn Jahren machte sich Unruhe in der Mobilfunk-Branche breit. Das iPhone von Apple war zwar gerade erst auf den Markt gekommen, aber es wurde bereits deutlich, dass das Smartphone aus Kalifornien das Zeug dazu hatte, das Geschäft komplett umzukrempeln.
Großer Touchscreen statt Tastatur: ein ultrakompakter mobiler Computer, der die Smartphone-Revolution erstmals greifbar machte. Den Herstellern bereitete der massive Vorsprung von Apple bei Technologien für diese neue Ära Sorgen. Und Netzbetreibern die Aussicht darauf, die Kontrolle darüber zu verlieren, welche Software auf den Mobiltelefonen läuft.
Die Branche blies zur Aufholjagd. Der damalige Handy-Weltmarktführer Nokia setzte auf seine Betriebssysteme Symbian und Maemo. Microsoft versuchte weiter, mit dem Rückenwind seiner Windows-Plattform in den Smartphone-Markt vorzupreschen. Es gab Platzhirsche wie Blackberry mit seinen bei Managern beliebten Telefonen mit voller Tastatur und hoffnungsvolle Innovatoren wie Palm. Doch am 5. November 2007 formierte sich eine Industriegruppe, die sie am Ende alle schlagen sollte: 34 Firmen bildeten die Open Handset Alliance zur Entwicklung des Mobil-Systems Android.
Die Idee dahinter war, eine quelloffene Software-Plattform zu entwickeln, die Hersteller kostenlos für ihre Geräte nutzen können, um schneller auf den Smartphone-Zug aufzuspringen. Mittelpunkt der Allianz war der Internet-Konzern Google, der bereits 2005 die Firma Android des Entwicklers Andy Rubin gekauft hatte, für nur wenige Dutzend Millionen Dollar. Als das iPhone vorgestellt wurde, sei bei Google bereits ein Android-Telefon in Arbeit gewesen, schrieb der Journalist Fred Vogelstein in einem Buch. Nach dem Apple-Handy sei das Konzept aber nicht mehr brauchbar gewesen.
Stattdessen setzte Google auf eine gemeinsame Attacke. Unter den 34 Gründungsmitgliedern der Allianz waren Handy-Anbieter wie Samsung, Motorola und HTC, Netzbetreiber wie T-Mobile, Telefónica und Telecom Italia, Chipkonzerne wie Intel, Qualcomm und Marvel sowie Online-Firmen wie Ebay. Das Konzept war von Anfang an, das mit Hilfe der Plattform Telefone verschiedener Größen und mit oder ohne Tastatur entwickelt werden konnten. Es sollte noch fast ein Jahr dauern, bis das erste Android-Smartphone auf den Markt kam, das Modell G1 mit Touchscreen und ausklappbarer Tastatur.
Danach ging es schneller voran und inzwischen schwankt der Marktanteil der Android-Telefone Quartal pro Quartal zwischen 80 und 85 Prozent, je nachdem, wie frisch ein neues iPhone auf dem Markt ist, dem der Rest des Marktes gehört. An diesem Verhältnis der beiden Plattformen werde sich in absehbarer Zeit auch nichts ändern, prognostiziert Analystin Roberta Cozza vom IT-Marktforscher Gartner.
Alle anderen Mobil-Systeme außer iOS und Android haben den Wettbewerb verloren - und mit ihnen sank auch der Stern einiger Platzhirsche, die einst sicher schienen. Blackberry gab nach langem Überlebenskampf die Entwicklung eigener Geräte auf. Unter dem Markennamen werden heute Android-Telefone von einem asiatischen Partner gebaut. Nokia traf 2011 die schicksalhafte Entscheidung, auf Windows Phone statt Android zu setzen und scheiterte damit. Aktuelle Smartphones, die unter dem Markennamen Nokia vermarktet werden, laufen inzwischen unter Android.
Apple versuchte, den Vormarsch von Android, das Gründer und Chef Steve Jobs als "gestohlenes System" bezeichnete, mit Patentklagen aufzuhalten. Vor Gericht erwiesen sich die Apple-Patente jedoch als weitgehend stumpfe Waffen.
So konnte Android in unzähligen Varianten ständig wachsen, auch außerhalb des Smartphone-Marktes als Betriebssystem für Mediaplayer, Netbooks und Tablet-Computer. Doch die Vielfalt, die für die schnelle Verbreitung von Android sorgte, hat auch eine Kehrseite: Die Fragmentierung des Ökosystems. App-Entwickler müssen Hardware mit verschiedensten Display-Auflösungen, Chips und anderen Bauteilen unterstützen. Zudem sind die Hersteller selbst für die Aktualisierung auf neue Android-Versionen und Sicherheits-Updates verantwortlich.
So liegt der Marktanteil der aktuellsten Android-Version "Oreo" gerade einmal bei 0,2 Prozent, während Apple bei seinen iOS-Systemen regelmäßig auf Werte von über 80 Prozent kommt. "Android ist ein großer Balanceakt" - zwischen Offenheit und Sicherheit sowie den zwischen den Interessen verschiedener Player, sagt der für das Betriebssystem zuständige Google-Manager Hiroshi Lockheimer.
In der Vergangenheit haben Hersteller wie HTC und Samsung versucht, sich mit eigenen Oberflächen oder Anwendungsprogrammen für Android von der Masse der Smartphones mit dem Google-System abzusetzen. Doch dieser Sololäufe erschwerten dann jeweils den Umstieg auf die aktuelleste Android-Version. Inzwischen setzen viele Anbieter wieder auf ein möglichst unverfälschtes Android, so wie es von Google auf den eigenen Pixel-Smartphones verwendet wird.
Die Dominanz des Betriebssystems im Smartphone-Markt nun auch die Regulierer auf den Plan. So stört sich die EU-Kommission unter anderem daran, dass Smartphone-Anbieter, die Google-Dienste auf ihre Geräte bringen, immer das gesamte App-Paket des Internet-Konzerns nehmen müssen. Google kontert, das sei notwendig, um die Kompatibilität der Geräte zu gewährleisten. © dpa
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