Kundenbewertungen im Internet genießen einen schlechten Ruf – sind aber dennoch für viele Nutzer Grundlage ihrer Kaufentscheidung. Fachanwalt Karsten Gulden erklärt im Interview das schmutzige Geschäft mit gekauften Bewertungen.

Ein Interview

Toller Service, gutes Essen: fünf von fünf Punkten als Bewertung für das Restaurant ums Eck. Das finden dutzende Nutzer und die Gaststätte hat insgesamt eine glänzende Online-Bewertung. Zurecht?

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Eine Erhebung von TNS Infratest zeigt, dass 80 Prozent der Internet-Kunden sich auf die positiven Bewertungen anderer Kunden verlassen.

Doch die spiegeln oft nicht die Realität wider. Bis zu 30 Prozent der Internet-Bewertungen sollen laut Angaben des Forschers Bing Liu von der University of Illinois in Chicago gefälscht sein.

Experten sprechen von einem regelrechten Markt von Dienstleistern, die ihren Kunden mit massenhaften Positiv-Urteilen zu zweifelhaftem Glanz verhelfen.

Karsten Gulden, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht, erklärt das schmutzige Geschäft mit gefälschten Bewertungen – und sagt, wie sich Betroffene wehren können.

Herr Gulden, wie hoch ist Ihrer Meinung nach der Anteil an gefälschten Nutzerbewertungen im Netz?

Karsten Gulden: Genaue Zahlen gibt es nicht. Es gibt Profile, die komplett gefälscht sind, bei anderen sind alle Bewertungen echt.

Wo sind die rechtlichen Grenzen von Bewertungen – ab wann gelten sie als illegal?

Rechtswidrig sind Bewertungen, die nicht von echten Kunden, Patienten oder vergleichbaren Personengruppen stammen.

Das gilt auch für solche, die strafbare Inhalte aufweisen wie beispielsweise Beleidigungen, üble Nachrede oder Schmähkritiken.

Das muss im Einzelfall geprüft werden. Nicht angreifbar sind reine Meinungsäußerungen. Das wären Aussagen wie "Das Unternehmen gefällt mir nicht" oder "Der Arzt ist arrogant".

Auf welchen Plattformen, also sozialen Netzwerken, Suchmaschinen oder ähnlichem, sind solche Fakes in besonders hoher Anzahl vertreten?

Im E-Commerce Sektor, also bei Plattformen wie Amazon und Ebay, finden sich oft gefakte Bewertungen. Dabei gibt es auch kuriose Fälle.

Erst vor kurzer Zeit habe ich einen Händler vertreten, dessen Kundenbewertungen komplett von einem chinesischen Konkurrenten kopiert und als eigene Kundenbewertungen verwendet wurden.

Wer ist für solche Falschbewertungen verantwortlich?

Es haftet der Verfasser der Bewertung und mit Kenntnisnahme eines Verstoßes auch der Portalbetreiber. Damit sind auch Plattformen wie Google, Facebook oder Amazon haftbar.

Wer produziert solche Falschmeldungen? Stecken dahinter professionelle Strukturen?

Ja, zum Teil. Es gibt sogar Anbieter in Deutschland, die sicherlich nicht wissen, was sie da tun. Denn das Ganze ist nicht legal.

Wie können Nutzer Falschmeldungen als solche identifizieren?

Man muss schauen, seit wann die Angebote online sind oder seit wann das Unternehmen existiert. Im E-Commerce Sektor kommt es immer wieder vor, dass ein neues Angebot innerhalb von 24 Stunden mehrere hundert Rezensionen aufweist. Da geht es dann in der Regel nicht mit rechten Dingen zu.

Wie können sich Betroffene oder Mitbewerber gegen falsche Nutzerbewertungen wehren?

Mitbewerber können ihre Konkurrenten abmahnen und auch die entsprechenden Plattformen informieren. Auch die haben kein Interesse an gefakten Bewertungen. Dies kann zu Kontosperrungen der Anbieter führen.

Welche Strafen drohen Fälschern von Nutzerbewertungen, wenn sie überführt werden?

Die Anbieter können zivilrechtlich abgemahnt werden. Strafbar dürfte dies in den meisten Fällen nicht sein.

Karsten Gulden arbeitet als Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht. Er ist Gründer und Gesellschafter der Kanzlei Gulden und Röttger in Mainz.
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