• Ein Viertel aller Autofahrer hat schon einmal Sekundenschlaf erlebt.
  • Die Folgen sind fatal: Jeder vierte tödliche Unfall auf der Autobahn ist darauf zurückzuführen.
  • Doch was sind die Ursachen für Sekundenschlaf? Und was kann man dagegen tun?

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Müdigkeit am Steuer ist eine tödliche Gefahr und alles andere als eine Randerscheinung: Jeder vierte tödliche Unfall auf der Autobahn lässt sich auf Sekundenschlaf zurückführen, wie eine Studie des Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) herausgefunden hat.

Fallen einem Autofahrer nur für eine Sekunde die Lider zu, legt er bei Tempo 100 km/h rund 28 Meter im "Blindflug" zurück und kann dabei von der Straße abkommen oder auf die Gegenfahrbahn geraten. Für eine Kurskorrektur kann es dann schon zu spät sein.

Was ist Sekundenschlaf?

Unter Sekundenschlaf versteht man das unfreiwillige Einschlafen in monotonen Situationen. Das Phänomen tritt jedoch vor allem beim Autofahren auf: Während wir in der Oper oder im Kino gleich für mehrere Minuten einnicken, schrecken wir beim Autofahren schon nach Sekunden wieder auf. "Es ist, als wäre sich der Körper bewusst, dass die Situation ungünstig ist, um einzuschlafen", sagt Professor Ingo Fietze, Schlafmediziner an der Charité Berlin. Das habe vermutlich mit dem Kortisol-Spiegel im Blut zu tun.

26 Prozent der Autofahrer haben laut einer Umfrage des Deutschen Verkehrssicherheitsrats (DVR) aus dem Jahr 2016 schon einmal Sekundenschlaf erlebt. Unter Lkw-Fahrern sind es laut einer Untersuchung der Deutschen Gesellschaft für Schlafforschung und Schlafmedizin (DGSM) sogar 46 Prozent.

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Was sind die Ursachen für Sekundenschlaf?

Körperliche Ursachen im Sinne einer Erkrankung gibt es nicht, wie Prof. Fietze erklärt. "Es hat fast immer mit einem Schlafdefizit zu tun – sei es nun ein selbst gemachtes Elend, weil man die Nacht durchgemacht hat, oder eine Schlafstörung."

Häufig wird Sekundenschlaf mit Schlafapnoe in Zusammenhang gebracht. Dabei handelt es sich um eine der häufigsten Schlaferkrankung, bei der es in der Nacht wiederholt zu Atemaussetzern kommt, was die Schlafqualität beeinträchtigen kann. Wie bei jeder Form von Schlafstörung oder Schlafmangel ist auch hier das Risiko für das Einnicken am Tage erhöht. Sekundenschlaf habe aber nicht speziell etwas mit Schlafapnoe zu tun. "Der Zusammenhang kommt daher, dass in der Historie die meisten Berufskraftfahrer männlich und in einem gewissen Alter waren, vielleicht hatten sie auch ein paar Kilo zu viel auf den Rippen – das erhöht das Risiko für Schlafapnoe", erklärt Fietze.

Auch die Tageszeit spielt für das Auftreten von Sekundenschlaf eine Rolle. "Das hat mit unserem Biorhythmus zu tun", sagt der Schlafmediziner. "Wir werden alle drei bis vier Stunden ein bisschen müde." Wer in der Nacht ausreichend Schlaf gefunden hat, wird diese körperlichen Tiefs kaum bemerken. Mit Schlafmangel besteht in diesen Zeitfenstern jedoch eine erhöhte Gefahr, einzunicken. Schon eine Nacht mit wenig Schlaf reicht aus, damit Sekundenschlaf auftreten kann.

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Was kann man gegen Sekundenschlaf tun?

Sekundenschlaf bricht nicht plötzlich über uns herein. Er kündigt sich an, zum Beispiel durch nachlassende Konzentration oder brennende Augen. "Wenn Sie schon anfangen zu gähnen, zu blinzeln oder die Augen immer wieder zufallen, dann ist es schon kurz vor dem Sekundenschlaf", sagt Prof. Fietze.

Wer am Steuer sitzt und diese Warnsignale bei sich bemerkt, sollte unbedingt den nächsten Parkplatz ansteuern. "Ein Nickerchen von fünf bis zehn Minuten reichen aus, um den Schlafdruck zu senken", sagt Schlafmediziner Fietze. Danach kann man direkt weiterfahren.

Ein Nickerchen – das schnellste und effektivste Mittel gegen Sekundenschlaf

Zwar könne man auch versuchen, mit frischer Luft, lauter Musik oder Koffein gegen die Müdigkeit anzukämpfen, doch diese Mittel wirken nicht sofort. "So ein Müdigkeitsfenster dauert 20 bis 30 Minuten", erklärt Fietze. Einmal kurz aussteigen und um das Auto herum laufen reicht also nicht, um das Müdigkeitsfenster zu überwinden. "Auch das Koffein in Kaffee oder Energy Drinks wirkt erst nach 20 bis 30 Minuten. Man müsste sie also vorbeugend trinken, um gar nicht erst müde zu werden." Daher sei ein Nickerchen grundsätzlich der schnellste und effektivste Weg, um wieder wach zu werden und sicher weiterfahren zu können.

Um Sekundenschlaf vorzubeugen, hilft es nur, für ausreichend Schlaf zu sorgen oder den Ursachen für das Schlafdefizit auf den Grund zu gehen. Wer tagsüber häufig müde oder gar schläfrig ist, sollte das von einem Arzt abklären lassen, rät Prof. Fietze. "Dahinter können verschiedene Ursachen stecken, von niedrigem Blutdruck über Schilddrüsenunterfunktion bis zu psychischen Erkrankungen."

Über den Experten:
Prof. Dr. med. Ingo Fietze ist Facharzt für Innere Medizin und Somnologe (Schlafmediziner) und leitet das interdisziplinäre schlafmedizinische Zentrum der Charité in Berlin. Sein Tätigkeitsschwerpunkt liegt in der Behandlung aller Formen von Schlafstörungen. Zudem ist er Autor mehrerer Sachbücher.

Verwendete Quellen:

  • Telefoninterview mit Prof. Ingo Fietze
  • dvr.de: Umfrageergebnisse: Vorsicht Sekundenschlaf
  • adac.de: Müdigkeit am Steuer: Lebensgefährlicher Blindflug
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