Der sogenannte Blitzermarathon in vielen Bundesländern geht auch am Freitag weiter. Allerdings beteiligen sich nicht alle Ländern an der europaweiten Aktion. Und auch Expertinnen und Experten sehen den langfristigen Nutzen kritisch.
Bereits zum zehnten Mal will die Polizei im Rahmen einer europaweiten Aktion am Freitag Raser aus dem Verkehr ziehen und auf die Gefahr von zu schnellem Fahren aufmerksam machen. Vor allem vor Schulen, Kitas, Altenheimen und an Unfallschwerpunkten soll geblitzt werden. Fachleute bezweifeln den Mehrwert der Aktion. Auch aus den Reihen der Polizei gibt es Kritik.
"Strafen sind dabei nicht das Ziel, sondern lediglich das Mittel", sagt Henk Jansen vom europäischen Verkehrspolizei-Netzwerk "Roadpol". Ziel sei es, Temposündern ihr gefährliches Verhalten vor Augen zu führen. Die Aktion ist Teil des europaweiten "Speedmarathons", der bereits seit Montag läuft.
"Erfolg solcher Maßnahmen nur schwer messbar"
Die Bundesländer gehen dabei unterschiedliche Wege. Mancherorts wird schon seit Montag geblitzt, Berlin, Bremen und das Saarland nehmen gar nicht teil. Die Aktion ziele in erster Linie auf Prävention ab, sagt ein Sprecher der saarländischen Polizei. "Der Erfolg solcher Maßnahmen ist allerdings nur schwer messbar, weshalb auch das Verhältnis von Kosten und Nutzen nicht abgeschätzt werden kann." Auch in den vergangenen Jahren klinkten sich einzelne Länder wegen zu hoher Kosten oder Personalmangels aus der Aktion aus.
Einige Polizeistellen geben bekannt, wo die Radarkontrollen stehen. Anders ist es etwa in Baden-Württemberg: "Wir wollen, dass sich die Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer flächendeckend und nicht nur punktuell an die geltenden Tempolimits halten", hieß es vom Innenministerium.
Auch wenn Autofahrerinnen und -fahrer vielfach wissen, wo der Laser steht, leistet die Aktion nach Ansicht des Automobilclubs ADAC einen Beitrag zur Verkehrssicherheit. Ihnen würden somit die Gefahren für zu schnelles Fahren bewusst gemacht - auch weil darüber mehr als sonst in den Medien berichtet werde.
Beispielsweise über einen Raser auf der Bundesstraße 12 in Bayern, der Anfang der Woche mit 183 Stundenkilometern geblitzt wurde - 83 km/h mehr, als dort erlaubt ist. Der Fahrer des Sportwagens musste 1.400 Euro zahlen und bekam drei Monate Fahrverbot, teilte die Polizei mit.
Blitzer-Apps sind verboten - auch für Beifahrer
Wo die Polizei die Standorte nicht verrät, kann etwa der Verkehrsfunk helfen. Nicht erlaubt sind hingegen die sogenannten Blitzer-Apps, in denen sich Verkehrsteilnehmer gegenseitig vor den Kontrollen warnen. Übrigens darf auch der Beifahrer die App nicht benutzen, wie das Oberlandesgericht Karlsruhe im Februar urteilte.
Michael Schreckenberg, Verkehrsexperte an der Universität Duisburg, bezweifelt den Nutzen des Marathons. "Autofahrer passen ihre Geschwindigkeit für den nächsten Blitzmarathon an, aber nicht generell", sagt er der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Einen Nutzen über den Aktionstag hinaus sieht er nicht. In der Vergangenheit habe sich zudem gezeigt, dass Menschen an den Blitzertagen ihr Auto einfach stehen ließen. "Die Leute sind deutlich flexibler geworden", sagt Schreckenberg. Ob das auch am Freitag so ist, wenn die Beschäftigten der Bahn streiken, bleibe abzuwarten.
Blitzen sei per se kaum geeignet, um Raserinnen und Raser auszubremsen, sagt der Verkehrspsychologe Karl-Friedrich Voss. "Es braucht mehr, zum Beispiel bauliche Maßnahmen wie Fahrbahnverschwenkungen an Ortseingängen", sagt Voss. Das kann zum Beispiel eine Insel in der Fahrbahnmitte sein, die der Straße einen Knick verleiht. "Die haben sich seit Jahren bewährt."
"Fahren hierzulande in einem Bußgeld-Discountland"
Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) blickt kritisch auf den Blitzermarathon. "Eine zeitlich begrenzte Geschwindigkeitsmessung führt zwangsläufig nicht zu nachhaltigen Veränderungen im Fahrverhalten", sagt der Vizevorsitzende Michael Mertens. Außerhalb der Schwerpunktkontrollen sei das Risiko, erwischt zu werden, viel zu niedrig. "Zweitens fahren wir hierzulande noch immer in einem Bußgeld-Discountland", so Mertens.
Wer zu schnell in die Radarkontrolle fährt, muss seit Ende 2021 tiefer in die Tasche greifen. Der neue Bußgeldkatalog bestraft Falschparker und Temposünder teils deutlich härter. In der Folge lagen die Einnahmen etlicher Städte im ersten Halbjahr 2022 bereits deutlich höher als im Vorjahreszeitraum, wie eine Umfrage der Arbeitsgemeinschaft Verkehrsrecht des Deutschen Anwaltvereins zeigte.
Der Blitzermarathon am Freitag ist derweil nicht der letzte im laufenden Jahr, wie der ADAC mitteilte. Mitten in der Urlaubszeit, vom 7. bis 13. August, plane die Polizei ihre nächste Aktion. (dpa/cze)
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