Sharenting: Kinder im Fokus von Social Media

Eltern posten auf Social Media verstärkt Bilder ihres Nachwuchses. Ob sie dabei unbedacht vorgehen oder mit Kalkül – Tatsache ist: Sie verletzten damit massiv die Privatsphäre ihrer Kinder und gefährden sie damit auch.
 

Was steckt hinter dem Begriff "Sharenting"?

Der Begriff "Sharenting" setzt sich aus den englischen Wörtern "share" (teilen) und parenting (Elternschaft) zusammen. Er beschreibt einen Trend, bei dem Eltern ihre Kinder (ausgiebig und über längere Zeiträume) auf Social Media posten und über Fotos, Videos und Kommentare deren Privatleben offenlegen.

Dabei passiert dies meist ohne das Wissen der Kinder. Und somit ohne, dass der Nachwuchs dem Posting seiner Bilder oder Videos zugestimmt hätte. Wie auch? Oft sind die Kinder dafür ja noch viel zu klein und erfahren erst Jahre später – wenn sie selbst Zugang zum Internet bekommen – was die Eltern in der Vergangenheit so alles über sie preisgegeben haben. Dies kann sich negativ auf ihr künftiges berufliches und privates Leben auswirken.
Keine Seltenheit: Bereits Kleinkinder werden öffentlich auf Instgram und Co. gepostet
Keine Seltenheit: Bereits Kleinkinder werden öffentlich auf Instgram und Co. gepostet.
Besonders heftig wird es, wenn die Eltern mit dem Posten von Kinderbildern aktiv Profit schlagen – doch dazu später mehr.

Ab wann spricht man von "Sharenting"?

Eins vorweg: Nicht jeder, der Bilder vom oder mit dem eigenen Kind online stellt, ist automatisch als "Sharent" einzustufen.
Bilder via FaceBook, WhatsApp oder Instagram mit der Familie oder einem kleinen, ausgesuchten Kreis von Freunden oder Bekannten zu teilen, macht Eltern nicht gleich zu einem "Sharent".

Problematisch ist es, wenn Eltern Folgendes tun:
  • Sie ermöglichen anderen (fremden) Social Media-Nutzern uneingeschränkten Zugriff auf Bilder und Inhalte ihrer Kinder.
  • Durch permanente Postings, die die Kinder in ihrem Alltag zeigen, verletzen sie deren Privatsphäre in erheblichem Maße. Auch geben sie dadurch Informationen preis, die die Kinder gefährden können (mehr dazu unter "Gefahren von Sharenting").
  • Sie posten Bilder, die die Kinder nur spärlich bekleidet zeigen, was ebenfalls ein hohes Risiko darstellen kann.
  • Sie posten Bilder und Inhalte, die die Kinder in sensiblen Situationen zeigen, etwa einem sehr emotionalen oder einem peinlichen Moment.
  • Sie nutzen die Fotos und Inhalte ihrer Kinder, um Geld damit zu machen, so wie hier im Folgenden geschildert:

Auswüchse von Sharenting

Kaum zu glauben, aber in den USA lässt sich auf Plattformen wie Instagram beobachten, dass Eltern einen Abonnementsservice für die Fotos und Videos ihrer Kinder anbieten.
In diesem "Service" offerieren die Eltern den Followern "exklusive Inhalte hinter den Kulissen", manchmal auch Sonderleistungen wie Telefon- oder Videogespräche mit ihrem Kind. Oder sie verkaufen die Kleidung, die ihr Kind trägt, an Fremde.

Hinter dieser fragwürdigen Art der Vermarktung steckt häufig auch die Absicht oder der Wunsch, die Kinder bekannt zu machen und etwa eine Modelkarriere für sie in Gang zu bringen – oder sie als Influencer zu etablieren.

Häufig geschieht dies über die Social-Media-Accounts der Eltern. Doch die Kinder sind oft selbst auch auf Instagram mit einem eigenen Profil vertreten, manchmal auf YouTube und neuerdings auch auf TikTok. Hier verwalten meist die Eltern ihre Konten für sie, da viele zu jung sind, um sich selbst zu registrieren.

Die Gefahren von Sharenting

Im Zeitalter des Internets und der sozialen Medien stehen Kinder immer häufiger von klein auf buchstäblich im Rampenlicht. Die permanenten öffentlichen Posts und die geschichtenartige Darstellung des Alltags sorgen dafür, dass Fremde sie beim Heranwachsen beobachten können. Und diese Fremden haben dabei leider nicht immer das Beste im Sinn:

Kinderpornografie: Seit den Anfängen des Internets ist es für Pädophile immer einfacher geworden, an Bilder oder Videos von Minderjährigen zu gelangen. Und so haben die geposteten Kinderbilder das Potenzial, tatsächlich auch in pädophilen Kreisen zu landen:
Studien zufolge beziehen viele Pädophile ihre Inhalte von Influencern bzw. ganz konkret von sogenannten "Momfluencern" (Englisch: Mutter-Influencer). Dies sind Frauen, die ihre Mutterschaft gezielt dazu nutzen, um mehr Follower und Fans für sich zu generieren.

Cybergrooming: Sexueller Missbrauch wird oft über das Internet angebahnt. So etwa beim Cybergrooming, bei dem sich Erwachsene und jugendliche Täter mithilfe gefälschter Social Media-Profile das Vertrauen von Kindern erschleichen.
Und so könnten Kinder, deren Privatleben und intime Details über einen langen Zeitraum durch exzessives öffentliches Posten von den Eltern offengelegt wurden, hier einem besonders hohen Risiko ausgesetzt sein. Cybergrooming ist aktuell übrigens eine der größten Gefahren für Kinder im Netz.

Deepfakes: Dank künstlicher Intelligenz könnten Kriminelle die Bilder oder Videos von Kindern nutzen, um daraus gefälschte Bilder, Videos oder Tonschnipsel zu erstellen, um damit anschließend die Eltern zu täuschen. Sie fragen sie nach Geld oder nach persönlichen Informationen oder aber simulieren einen falschen Notruf. Mittels Technik lässt sich fast alles fälschen, sogar Telefonanrufe.

Auch in puncto Identitätsdiebstahl stellt Sharenting ein mögliches Risiko dar: Werden zusätzlich zu den Bildern auch private und sensible Informationen im Internet publik (z. B. Name, Wohnort, Anschrift etc.), könnten etwa gefälschte Ausweise oder Fake-Profile auf Social Media mit der Identität Ihres Kindes erstellt werden.

Das Internet vergisst nichts

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Das Internet vergisst nichts! Die privaten Urlaubsbilder oder das Familienfoto, das Sie öffentlich gepostet haben? Diese kursieren nun für die nächsten Jahrzehnte im Internet. Einfaches Löschen bringt nicht wirklich etwas.

Aber warum ist das so gefährlich?

Eine Sache, über die sich die wenigsten Gedanken machen, ist, dass man in dem Moment, in dem man auf "Posten" klickt, nicht mehr die Kontrolle über das Bild hat. Wer das Bild sieht, wann es gesehen wird und was damit geschieht, kann später nicht mehr kontrolliert werden.

Jemand könnte es speichern oder einen Screenshot davon machen und es irgendwo auf seinem Gerät speichern, vielleicht sogar selbst wieder irgendwo hochladen. Das ist das Problem: Man findet es nicht heraus, bis es vielleicht zu spät ist.

Und ist nicht schon allein der Gedanke unangenehm, dass jedermann Zugriff auf die Bilder des eigenen Kindes haben kann?

Außerdem: Was Eltern vielleicht süß oder amüsant finden, kann für Kinder peinlich oder blöd sein. Ganz besonders dann, wenn man weiß, dass die Kinder- und Babyfotos noch viele Jahre lang im Netz sichtbar sind.

Kinderfotos posten – darauf sollten Sie achten

Wenn Sie gerne Fotos von Ihren Kindern auf Social Media posten, weil Sie schöne Momente mit anderen teilen wollen, haben wir hier ein paar Sicherheitstipps für Sie:

1. Wenn Sie der Versuchung zu posten, nicht widerstehen können, dann schalten Sie Ihren Instagram oder Facbook-Account auf "Privat" um. Bei WhatsApp zum Beispiel können Sie Ihren Status für Fotos & Co. auf einen kleinen Kreis von ausgewählten Kontakten beschränken.
So kann Ihnen niemand folgen und Ihre Bilder sehen, ohne dass Sie es vorher abgesegnet haben. Sie haben so zumindest mehr Kontrolle darüber, wer Ihre Posts sieht und damit interagiert. Ob jemand die Bilder jedoch speichert oder Screenshots davon macht sehen Sie trotzdem nicht

2. Ob Foto oder reiner Textpost: Seien Sie generell sparsam mit der Veröffentlichung von Daten.
Sie können die Bilder oder Videos entweder als private Nachricht verschicken (obwohl auch das nicht ganz sicher ist) oder einfach warten, bis Sie die Person sehen, und es ihr dann direkt zeigen.

3. Zeigen Sie bei Bild- und Videoveröffentlichungen – wenn überhaupt – nur Auszüge davon. Sie können Ihre Fotos mit anderen teilen, ohne dass Ihre Kinder dabei im Mittelpunkt stehen müssen. Influencer haben zum Beispiel damit begonnen, die Gesichter ihrer Kinder entweder unkenntlich zu machen, sie ganz aus dem Bild herauszuhalten oder sie nur von hinten zu zeigen. Dies ist eine weitere Möglichkeit, sie zu schützen.

4. Und das Wichtigste: Posten Sie nichts Anzügliches über Ihre Kinder bzw. nichts, was als anzüglich angesehen werden könnte. Beispiele hierfür sind Fotos im knappen Höschen oder gar "untenrum ohne". Und natürlich ein absolutes No-Go sind Nacktfotos! Das Gleiche gilt für aufreizende Posen.

5. Bedenken Sie, dass Ihre Kinder grundsätzlich auch das "Recht am eigenen Bild" haben. Ab dem Alter von acht Jahren müssen Eltern sie sogar um Erlaubnis fragen, ob sie Bilder von ihnen veröffentlichen dürfen. Sind die Kinder noch zu jung, um dem Posting zuzustimmen, dann gehören ihre Bildnisse damit auch nicht ins Internet!

6. Sollten Sie feststellen, dass jemand Ihre Bilder weiterveröffentlicht oder anzügliche Kommentare unter Ihren Beiträgen abgibt, melden Sie dies bitte sofort! Plattformen wie Instagram führen Sie problemlos durch den Meldeprozess für ein Konto.

Falls jemand Ihre Bilder weiterveröffentlicht, prüfen Sie, ob Sie diese Bilder entfernen lassen können, indem Sie von Ihrem "Recht auf Vergessenwerden" Gebrauch machen (Art. 17 DSGVO). Mit diesem Recht können Sie verlangen, dass der für die Verarbeitung Verantwortliche alle personenbezogenen Daten, die Sie betreffen, löscht. Dabei kann Ihnen im Zweifelsfall auch ein Anwalt helfen.
Mit einer Abmahnung oder gar einem Gerichtsbeschluss im Rücken sind die Erfolgsaussichten viel größer, dass unliebsame Bilder dann auch gelöscht werden können.

Quellen (Stand: 01.08.2024):

https://www.bzkj.de/resource/blob/187302/d4d36492d4fd527cbafd76e13ae3ea05/20214-sharenting-mama-blogger-kinderinfluencer-data.pdf
https://www.mdr.de/medien360g/medienwissen/sharenting-wenn-eltern-sorglos-bilder-ihrer-kinder-teilen-100.html
https://www.wbs.legal/medienrecht/persoenlichkeitsrecht/recht-am-bild/
https://www.bfdi.bund.de/DE/Buerger/Inhalte/Allgemein/Betroffenenrechte/Betroffenenrechte_L%C3%B6schung_Vergessenwerden.html
https://www.bka.de/DE/UnsereAufgaben/Aufgabenbereiche/Zentralstellen/Kinderpornografie/Cybergrooming/Cybergrooming_node.html
https://www.nytimes.com/2024/02/22/us/instagram-child-influencers.html
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