Wie kann gelungene Integration aussehen? Einen Monat nach den Übergriffen in Köln wird das Thema unverändert heiß diskutiert. In einer Expertenrunde am Montag in Wien wurden Forderungen laut, etwa nach einer besser ausgebildeten Polizei und mehr Aufklärung innerhalb des Islam.

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Wenn es um Integration gehe, können Veränderungen nicht nur vom Staat kommen, sagte Wilhelm Sandrisser, Abteilungsleiter für Sicherheitspolitik im Innenministerium, am Montag bei einer Expertenrunde in Wien. Die Gesellschaft müsse vielmehr die gewünschten Werte vorleben und Asylwerbern die Möglichkeit geben, diese zu erlernen.

Genau dieses Thema stand im Zentrum der Diskussionsrunde "Nach Köln: Werte in Zeiten der Flüchtlingskrise", zu der das Bundesministerium für Europa, Integration und Äußeres geladen hatte. Und Sandrisser war mit seiner Forderung nicht alleine.

Learning by doing

Das Prinzip "learning by doing", also aus Erfahrungen lernen, vertrat Mouhanad Khorchide: "Werte eignet man sich an. Man kann diese nicht mit erhobenen Zeigefinger von oben herab vermitteln." Der Leiter des Zentrums für islamische Theologie der Universität Münster beschäftigt sich seit Jahren mit der Integration der islamischen Kultur in Europa.

Man dürfe die Menschen nicht isolieren, sondern – wie er sagte - müsse ihnen die Möglichkeit geben zu sehen, wie wir zu leben. Der Integrationsarbeit müsse mehr Raum gegeben und islamtheologische Unis eingeführt werden. Die meisten Muslime erreiche man am besten über Moscheen, weshalb eine entsprechende Schulung der Imame sinnvoll und notwendig sei. Khorchide zeigte sich überzeugt: "Eine Zeigefingermentalität bringt nichts, denn diese Menschen kennen oft keinen anderen Umgang."

Fokus auf Frauen

Von Samthandschuhen in Religionsdiskussionen hält Andrea Brem hingegen wenig. "Jede Gesellschaft ist so gut, wie sie ihre Frauen behandelt. Wie soll man Frauen erreichen und ihnen Werte vermitteln, wenn die meisten islamischen Frauen durch patriarchale Strukturen, also ihren Männern, von der Umwelt abgeschnitten sind?"

Brem ist Geschäftsführerin des Vereins Wiener Frauenhäuser, und als solche kennt sie die großen Probleme: beispielsweise wenn Frauen nach Jahren noch immer nicht lesen könnten oder nicht wüssten wie man mit der U-Bahn fährt, weil ihre Männer es ihnen nicht erlaubten. Für sie ist der langsame Aufbau von Parallelgesellschaften, in denen unsere Gesetze nicht mehr gelten, indiskutabel.

Fatale patriarchale Struktur

Um dem zuvorzukommen, müssten vor allem Polizisten, aber auch Staatsanwälte und Richter besser hinsichtlich Menschenrechts- und Integrationsthemen ausgebildet werden, forderte Lilian Hofmeister. "Die Kölner Polizisten waren menschenrechtlich unterbelichtet und nicht gut ausgebildet", fand sie.

Die Wienerin ist Ersatzmitglied des Verfassungsgerichtshofes und Mitglied des UN-Komitees für die Beseitigung der Diskriminierung der Frau. In ihren Augen gibt es ein großes Gesamtproblem: "Hinter allen politischen Strukturen, egal ob Diktaturen oder Demokratien, stehen patriarchale Weltstrukturen. Alten Männern ist stets ein Vorrang allen anderen gegenüber gegeben."

Das bestätigt auch Khorchide: "Im Koran herrscht das 7. Jahrhundert vor. Das ist heute nicht mehr zeitgemäß. Zwar ist auch die Bibel brutal, nur sieht die Praxis der Christen mittlerweile anders aus. Insofern hängt es immer vom jeweiligen Muslim ab, wie er die Zeilen des Korans interpretiert. Deshalb haben wir aber kein islamisches Problem, sondern ein Patriarchales."

Rückblick in die Geschichte

Auch Hofmeister hält wenig von Pauschalierungen und erst recht nichts vom einseitigen "Islam-Bashing": "Wir brauchen nicht erst den Islam als Problemfall in Bezug auf Menschenrechte und Gewalt an Frauen heranzuziehen. Menschenrechtsverletzungen sollte man sich auch in Österreich ansehen. In unserem ABGB (Allgemein Bürgerliches Gesetzbuch, Anm.) aus dem Jahr 1811 war der Mann als Oberhaupt der Familie klar definiert. Das wurde erst in den 1970er Jahren hierzulande geändert."

In ihren Augen wird Integration nur gelingen, wenn sich die Mehrheitsgesellschaft auf Mindeststandards in Sachen Menschenrechten einigt, die dann auch real gelebt und praktiziert werden.

Gesetze klar kommunizieren

Wie diese Mindeststandards aussehen könnten, blieb am Montag unbeantwortet. "Integration dauert eine Zeit. Niemand will sich die Meinungen des Gegenübers einfach aufdrängen lassen", sagte Sandrisser. Ein Ruf nach einer schärferen Sicherheitspolitik sei daher nicht zweckdienlich. "Ziel der Sicherheitspolitik ist der Beitrag zum gesellschaftlichen Zusammenhalt und zum sozialen Frieden." Es gehe nicht nur darum, auf den Straßen präsent zu sein, sondern einen Beitrag zum Schutz der Menschenrechte zu leisten.

Etwas deutlicher formulierte es wiederum Brem: "Werte sind relativ und unterscheiden sich von Person zu Person. Dafür haben wir Gesetze. Diese müssen wir klar kommunizieren."

Muslimin im Publikum lässt aufhorchen

Die wohl klarste Forderung kam aus dem Publikum, von einer Muslimin selbst: Die Dolmetscherin für Asylwerber forderte eine Frau in einer entsprechenden Machtposition, die entsprechende Werte vermitteln könne. Alles andere, also ein Mann in ähnlicher Position, fördere wiederum die patriarchale Struktur. Für sie gelte aber ohnehin: "Nicht nur der Staat, wir alle müssen nach mehr Gleichberechtigung streben."

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